Missbraucht: Sie nannten mich Püppi

Ein Buch über Kinderpornografie in den Fünfzigerjahren in der DDR

Seit gestern ist mein neues Buch „Missbraucht: Sie nannten mich Püppi“ bei Amazon als E-Book erhältlich.

www.amazon.de/dp/B09TY72CZF

Klappentext:

Ost-Berlin, Fünfzigerjahre: Uschi ist erst fünf Jahre alt, doch sie weiß längst, dass ihre Mutter eine Hure ist. Eines Tages besucht sie der Foto-Onkel, aber der will nicht die Mama, er will Uschis Körper, ihre Unschuld, ihre Kindlichkeit. Aus Uschi wird Püppi – eine hart arbeitendes Modell für Kinderpornografie.

Später kommen noch Mamas Freund und Uschis Halbschwester in die Familie. Und als die Eltern „Die Puppenstube“ gründen, erfahren die beiden kleinen Mädchen, dass sich bereits erlebtes Grauen offenbar beliebig steigern lässt …

Zum Entstehungsprozess des Buches:

Ursula H. lernte ich durch eine gemeinsame Bekannte kennen. Sie wusste, dass ich als Ghostwriterin schon seit vielen Jahren Autobiografien und Biografien im Auftrag von Privatpersonen schreibe. Sie kannte auch meine Bücher über die Missbrauchserfahrungen von Kindern.

Kindheitshölle Teil 1 und Teil 2 sowie Missbraucht: Danach wollte ich tot sein.

Ob ich ihre Erlebnisse und Erfahrungen ebenfalls aufschreiben könnte? Ich konnte.

Ende Mai 2021 begann wir mit den Interviews. Wir führten zahlreiche stundenlange Gespräche, in denen mir Frau H. ihre unfassbar grausame Lebensgeschichte erzählte.

Leider konnten wir unsere Treffen über einen längeren Zeitraum nicht stattfinden lassen, da es uns coronabedingt einfach zu gefährlich wurde. Wir versuchten es dann übers Telefon, auch Skype kam zum Einsatz. Aber die persönlichen Unterhaltungen, in denen wir uns gegenüber saßen und die Reaktionen der Gesprächspartnerin ungefiltert aufnehmen konnten, die waren für beide Beteiligten die wertvollsten.

Unsere Gespräche zogen sich bis in den Herbst hinein, anschließend begann ich mit dem Schreiben. Während des Aufschreibens hatte ich immer wieder Nachfragen, somit gab es ergänzende Unterhaltungen, die oft auch ganz neue Aspekte zutage brachten.

Zuvor hatte ich nicht allzu viel über Kinderpornografie gewusst, dass dies für die beteiligten Kinder immer schmerzhaft und angstbesetzt ist, war mir aber selbstverständlich klar. Doch es ist schließlich eine vollkommen andere Sache, wenn einem das ganze Grauen von einer Frau unmittelbar berichtet wird, von einer Frau, die dies alles als Kind am eigenen Leib hatte erfahren müssen.

Ich war entsetzt, erschüttert und tief betroffen von dem, was Frau H. aus ihrer Erinnerung hervorholte. Es war sicher für sie nicht immer einfach, darüber zu berichten, wie sie als unschuldiges kleines Mädchen von herzlosen, gewissenlosen, krankhaft gierigen Männern missbraucht und erniedrigt worden war.

Mich hat fassungslos gemacht, dass die kleine Uschi jahrelang von diesen gierigen Monstern benutzt werden durfte, ohne das ein Erwachsener eingriff. Die Mutter interessierte sich nur für das Geld, das die Tochter ihr einbrachte. Und die Rolle, die der „Stiefvater“ für einige Zeit spielte, war im Grunde ja noch schlimmer als die der professionellen Verbrecher aus der Pornobranche.

Frau H. konnte ungefähr zehn Jahre nach Beendigung ihrer Qualen ihre erste Psychotherapie beginnen. Bis heute ist sie mit wenigen Unterbrechungen fast ständig in psychotherapeutischer Behandlung.

Sie lebt allein, sie hat keine Kinder, sie war nie schwanger. Die körperliche Nähe von Männern kann sie nicht ertragen.

Manchmal hat sie Selbstmordgedanken, hin und wieder wird sie sogar von Mordgedanken befallen. Doch Frau H. findet die Täter von damals nicht. Sie kann sich nicht rächen. Sie kann diese Männer nicht befragen und nicht zur Verantwortung ziehen – mit welchen Mitteln oder Methoden auch immer. Die Peiniger von Frau H. sind mit Sicherheit verstorben.

Die gewissenlose Mutter ist schon lange tot, der Stiefvater ebenso, und auch die geliebte Halbschwester, mit der die kleine Uschi gemeinsam viele schmerzhafte Stunden des Missbrauchs durch den Stiefvater erleben musste, lebt seit mehr als vier Jahrzehnten nicht mehr. Sie hat ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt.

Dies erfahre ich immer und immer wieder: Wenn sich die Opfer endlich in der Lage sehen, über die ihnen widerfahrenen Gräueltaten zu sprechen, dann sind sie allermeist schon im Rentenalter, oft sogar schon weit darüber. Und damit klagen sie fast ausschließlich Tote an.

Es war für Frau H. dennoch eine Art Befreiungsakt, ihr Leben zu erzählen zu dürfen. Aber es ist kein Allheilmittel. Der innere Schmerz bleibt. Das Anderssein bleibt. Dieses Anderssein-Müssen, wie Frau H. es nennt. Denn das, was sie erlebt hat, macht ihr ein normales Leben für alle Zeiten unmöglich.

 

Sexueller Missbrauch? Kindesmissbrauch? Sexuelle Gewalt? Wo findet man Hilfe?

Was kann der Einzelne gegen sexuelle Gewalt tun? Kann man überhaupt helfen?

In den vergangenen Jahren rückten Inzest, sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt, Kinderpornografie und ähnliche Themen immer stärker in den Fokus der Medien. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Missbrauch kein Tabuthema mehr ist, wenn so offen darüber gesprochen und diskutiert wird.

Aber es wurde nicht nur debattiert, sondern es wurden auch einschlägige Gesetze überarbeitet und teilweise verschärft, Verjährungsfristen wurden verlängert.

Auch wurden die Menschen zunehmend (und werden noch immer!) aufgefordert, hinzuschauen, hinzuhören, verstärkt darauf zu achten, was mit Kindern in ihrem jeweiligen Umfeld geschieht.

Wenn es einen Verdacht auf sexuelle Gewalt gibt, so soll man sich einmischen, dem Opfer Hilfe anbieten, Fragen stellen, die Angelegenheit gegebenenfalls zur Anzeige bringen.

Und nicht zuletzt sind auch aktive Mitarbeit sowie Spenden gefragt!

Nachfolgend sind einige Hilfsangebote aufgelistet (Vereine, Notrufeinrichtungen u. v. a. m.)

– für unmittelbar von sexueller Gewalt Betroffene,

– für deren Angehörige,

– für Personen, die in Ausübung ihrer Tätigkeit mit Kindesmissbrauch konfrontiert werden können sowie nicht zuletzt auch

– für Menschen, die Kenntnis erhalten haben von sexueller Gewalt in ihrem Umfeld, und die sich nun informieren und orientieren wollen.

Die folgende Aufstellung von fünfzehn wichtigen Hilfs- und Informationsangeboten innerhalb der BRD hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

01. Hilfeportal Sexueller Missbrauch des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im Budnesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

02. Aktion Kinderschutz e. V.

03. Menschen gegen Kindesmissbrauch e. V.

04. Violetta – Verein gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und jungen Frauen e. V.

05. N.I.N.A. – Netzwerk der Hilfe

06. Deutscher Kinderverein

Gegen Kindesmisshandlung. Für die Rechte von Kindern.

07. Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch e. V.

08. gegen-missbrauch e. V.

09. Zartbitter e. V.

Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen

10. Wildwasser – Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen e. V.

11. Dunkelziffer e. V.

12. Innocence in Danger e. V.

13. Nummer gegen Kummer

Kinder- und Jugendtelefon: 116 111

Elterntelefon: 0800 1110550

14. Jugend Notmail

15. Kindernothilfe (Engagement gegen Kinderhandel!)

Falls jemand eine weitere Einrichtung bekanntmachen möchte, die sich für missbrauchte Kinder bzw. gegen Kindesmissbrauch einbringt, so würde ich mich über eine Nachricht mit Link freuen.

E-Mail bitte an: boehm-schicksale@gmx.net

Neues Buch von Marie A. Böhm – „Missbraucht: Danach wollte ich tot sein!“

Am 09. Mai 2021 wurde bei Amazon Kindle Direct Publishing mein neues Buch „Missbraucht: Danach wollte ich tot sein!“ veröffentlicht.

Es beinhaltet sieben Schicksalsberichte von Frauen, die alle in ihrer Kindheit Opfer von sexuellem Missbrauch wurden.

Klappentext:

Anja ist gerade fünf Jahre alt, als ihr Pflegevater sich das erste Mal an ihr vergeht. Cornelia erlebt im Alter von neun Jahren sexuelle Gewalt durch einen Fünfzehnjährigen aus dem Dorf, und Nicole wird seit dem achten Lebensjahr von ihrer Mutter missbraucht …

Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis:

Täter: Vaters Geschäftsfreund. Opfer: Daniela, 10 Jahre

Täter: Der Trainer. Opfer: Melanie, 9 Jahre

Täter: Der Stiefvater. Opfer: Ulrike, 6 Jahre

Täter: Die Mutter. Opfer: Nicole, 8 Jahre

Täter: Ein Junge aus dem Dorf. Opfer: Cornelia, 9 Jahre

Täter: Der Nachbarsjunge. Opfer: Karin, 8 Jahre

Täter: Der Pflegevater. Opfer: Anja, 5 Jahre

 

Zur Einstimmung ein paar Gedanken zum Thema Missbrauch, die dem Buch vorangestellt sind:

Missbrauch

Es gibt Leute, die machen so Sachen mit kleinen Mädchen.

Diese Sachen sind nicht gut für die kleinen Mädchen.

Die kleinen Mädchen wissen meist gar nicht, was diese Sachen bedeuten.

Aber sie finden ES immer eklig, fremd, abstoßend, furchteinflößend.

Die kleinen Mädchen verstehen nicht, was mit ihnen passiert.

Sie haben Angst.

***

Sie begreifen schnell, dass ES immer wehtut.

ES tut am Körper weh, und ES tut im Herzen weh.

Sie begreifen schnell, dass ES nicht aufhören wird.

Sie erfahren schmerzhaft, dass niemand ihnen glaubt.

Sie lernen: Es gibt Erwachsene, die machen Kinderseelen einfach kaputt.

Sie erleben: Aus einem kleinen Mädchen mit zerstörter Kinderseele wird eine kaputte Frau.

Eine solche Frau benötigt oft sehr viele Jahre, um ihre verletzte Kinderseele wenigstens ein bisschen heil zu machen. Manchen Frauen gelingt es nie.

***

Die meisten Täter werden nie gefasst, nie zur Verantwortung gezogen, nie bestraft.

Nicht selten werden die Kaputtmacher von anderen Leuten gedeckt;

sie ziehen um, werden irgendwohin versetzt, können sich hinter Familien-Biederkeit versteckten.

Mitunter ist „die Sache“ auch bereits verjährt,

wenn sie von einem Opfer endlich ausgesprochen werden kann.

***

Mord dagegen verjährt nie.

Warum aber verjährt

die Ermordung des kindlichen Urvertrauens,

der Totschlag des kindlichen Selbstwertgefühls,

die grausame Tötung des magischen Kerns einer jeden Kindheit – der Unschuld?

Missbrauch sollte nicht verjähren dürfen,

denn die Opfer brauchen viel Zeit, Verständnis und Geduld.

 

Und hier ist der Link zur Amazon-Produktseite:

https://www.amazon.de/dp/B094H9GY69

Ich wünsche mir als Ghostwriterin/Autorin des Buches und auch im Namen der sieben Frauen, dass diese Schicksale ihren Weg zu möglichst vielen Lesern und Leserinnen finden werden.

Ist sexueller Missbrauch von Kindern noch immer ein Tabuthema?

Was ist überhaupt ein Tabuthema? Im Internet dazu gefunden: „Ein Tabuthema ist ein Thema, über das nicht gesprochen wird bzw. nicht gesprochen werden darf.“

Ist sexuelle Gewalt an Kindern bzw. sexueller Missbrauch von Kindern hier und heute wirklich noch ein Tabuthema?

Der Versuch einer Annäherung …

Zu Beginn der Neunzigerjahre wurde in den Medien viel über den Fall Woody Allan debattiert. Der amerikanische Regisseur, Autor und Schauspieler wurde beschuldigt, eine seiner Adoptivtöchter (Dylan, damals sieben Jahre alt) sexuell missbraucht zu haben. Dylan äußerte sich später als junge Frau dazu mehrfach in der Öffentlichkeit, Woody Allen bestreitet das Ganze bis heute.

Mit einer anderen Pflegetochter, einer Adoptivtochter seiner Ehefrau Mia Farrow, der damals 20jährigen Soon-Yi, begann er eine heimliche Liebesbeziehung. Mia Farrow entdeckte Aktfotos von Soon-Yi, die Allen aufgenommen hatte. Er gab daraufhin das Verhältnis zu. Die 35 Jahre jüngere Soon-Yi und Allen heirateten nach Allens Scheidung von Mia Farrow.

In den Jahren 2009 und 2010 schlug ein weiterer Fall hohe Wellen. Es hieß, der bekannte Filmregisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Roman Polanski habe eine Dreizehnjährige missbraucht. 2017 meldeten sich zwei weitere Opfer im Alter von 16 beziehungsweise 10 Jahren, die angaben, von Polanski sexuell missbraucht worden zu sein. Polanski lebt seit der ersten Anschuldigung nicht mehr in den USA, Amerikas Ausweisungsanträge an die Schweiz bzw. später an Polen scheiterten.

Zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen

Ebenfalls 2010 wurden unzählige Missbrauchsfälle durch Priester in katholischen Jungenschulen bekannt. Kurz darauf machten ehemalige Schüler der renommierten Odenwaldschule darauf aufmerksam, dass sogar in einer solchen reformpädagogischen Vorzeigeeinrichtung sexueller Missbrauch systematisch und massenhaft von Erziehern praktiziert wurde.

In der Folgezeit meldeten sich zunehmend Erwachsene zu Wort, die als Kinder Opfer sexueller Gewalt in kirchlichen Kinderheimen geworden waren.

Ich wurde zwar nicht sexuell missbraucht, aber ich habe in den Fünfzigerjahren zwei Jahre in einem katholischen Waisenhaus leben müssen und weiß daher aus eigener Erfahrung, dass die Nonnen gegenüber den ihnen anvertrauten Zöglingen massive physische und emotionale Gewalt ausübten. Unter dem Deckmantel christlicher Nächstenliebe und Fürsorge hatten die barmherzigen Schwestern und die Priester freie Hand gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern. Und es gibt noch heute nicht wenige Vorfälle dieser Art.

Immer mehr Missbrauchsfälle geraten an die Öffentlichkeit

Auch zahlreiche Missbrauchsfälle, die in Deutschland und in anderen Ländern seit der Jahrtausendwende aufgedeckt wurden (und immer noch werden), hat man in den vergangenen Jahren öffentlich diskutiert. Da war der Missbrauch auf dem Campingplatz in Lüdge, es gab den Fall Josef Fritzl oder auch die Missbrauchsdiskussion um Michael Jackson, um hier nur einige wenige zu nennen.

Eine kleine Chronik dieser Verbrechen wird so nach und nach auf diesem Blog entstehen.

Man kann also durchaus sagen, dass das Thema Missbrauch in jüngerer Vergangenheit massiv durch die Medien ging und eine gesellschaftliche Debatte auslöste.

Kindesmissbrauch als Thema in den Medien

Im Grunde könnte man fast von einer Medienflut in Sachen Missbrauch sprechen. Dabei werden die Macher nicht nur der Informationsseite des Ganzen in Form von Nachrichten, Dokumentationen oder Talkrunden gerecht, auch die Unterhaltungsbranche würdigt die Aktualität des Gegenstandes in beachtlichem Umfang und hat darüber hinaus natürlich auch das Spannungspotenzial des Themas entdeckt. Es gibt mittlerweile zahlreiche gute und weniger gute Fernsehfilme insbesondere aus dem Krimi-Genre, die Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie zum Inhalt haben.

Natürlich trägt auch und sicher vorrangig das Internet dazu bei, dass das Thema sexueller Missbrauch verstärkt Beachtung findet.

Gibt man bei Google „Sexueller Missbrauch“ ein, so erhält man rd. 3.660.000 Ergebnisse. Darunter befinden sich auch zahlreiche Hilfeseiten für Opfer und für Angehörige von Opfern. Hier erhält man auch Informationen, wenn man der Auffassung ist, im persönlichen Umfeld einen Fall von Kindesmissbrauch bemerkt zu haben.

Sexuelle Gewalt als Thema auf dem deutschen Buchmarkt

Und nicht zuletzt ist das Thema sexuelle Gewalt an Kindern natürlich auch auf dem Buchmarkt angekommen. Ob als Sachbuch oder Fachbuch, ob als Roman oder Kurzgeschichte, die Vielzahl der Veröffentlichungen erweckt durchaus den Eindruck, dass sexuelle Gewalt an Kindern kein Nischenthema mehr zu sein scheint.

Auffallend ist, dass zahlreiche Bücher über Kindesmissbrauch von Selfpublishern verfasst und herausgegeben wurden. Es handelt sich hier überwiegend um Erfahrungsberichte mit dem Ziel, die Ungeheuerlichkeiten des Missbrauchs in der eigenen Kindheit zu dokumentieren und darüber hinaus aufzuzeigen, wie schwierig sich das Leben eines ehemaligen Missbrauchsopfers als Erwachsener gestalten kann. Solche Bücher möchten sicher nicht nur informieren, sondern auch Mut machen. Und sie haben darüber hinaus nicht selten den Effekt, dass das Aufschreiben der eigenen Erlebnisse oder das Aufschreibenlassen durch einen Ghostwriter für ein Missbrauchsopfer zumindest im Ansatz auch eine Therapiefunktion haben kann.

Weiterhin gibt es zunehmend selbstpublizierte Bücher zum Thema Missbrauch, die offenbar vordergründig abschreckende Wirkung beim Leser erzeugen möchten. Die Grausamkeiten des Kindesmissbrauchs werden zusätzlich durch düstere Örtlichkeiten, Ekelfaktoren, äußerlich abstoßend wirkende Täter, Foltermethoden u. Ä. verstärkt. Hier wird vor allem die Faszination des Abartigen bedient.

Ist sexueller Missbrauch noch immer ein Tabuthema?

Ist mit Blick auf all diese Faktoren das Thema sexueller Missbrauch bzw. sexuelle Gewalt an Kindern tatsächlich noch immer als Tabuthema anzusehen?

Ja und nein, ich denke, man muss dabei beide Seiten der Medaille betrachten.

Auf der einen Seite – in der Öffentlichkeit, in der Welt der Medien und des Buchmarktes – ist der sexuelle Kindesmissbrauch durchaus ein Thema, über das nicht mehr hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Seitens der Täter wird zwar viel verharmlost, heruntergespielt und geleugnet. Und es entsteht auch oftmals der Eindruck, dass die Justiz es Missbrauchsopfern schwer macht, zu ihrem Recht zu kommen. Verhör- und Befragungstaktiken, Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Verjährungsfristen und letztendlich das von den Opfern häufig als entschieden zu milde bezeichnete Strafmaß stehen immer wieder in der Kritik.

Von einem Tabuthema kann hier wirklich nicht die Rede sein.

Das Tabu aber besteht nach wie vor. Nicht in der Öffentlichkeit, sondern in der Familie, im näheren Umfeld des Opfers, in der Schule, der Gemeinde, eben dort, wo das Opfer zum Opfer wird. Hier wird nach wie vor kaum über sexuelle Gewalt gesprochen. Solche Sachen passieren immer noch nicht hier und genau bei uns, sondern sie passieren immer nur den anderen, anderswo, weit weg am besten.

… Mein Mann macht das nicht, unser Opa würde so etwas nie tun, dieser Lehrer und jener Erzieher sind über so einen Verdacht natürlich erhaben. Der Onkel ist nicht pädophil, der ist nur ein bisschen anders, und eine Mutter macht so etwas schon gar nicht, eine Frau als Täterin ist ohnehin schlecht vorstellbar. Das Kind lügt, es hat eine blühende Fantasie, es weiß ja gar nicht, was es da redet …

Und es gibt noch eine weitere Tabu-Seite. Das Opfer selbst will sich nicht outen. Zwar gehen seit einiger Zeit nicht wenige Opfer mit ihren Missbrauchserlebnissen an die Öffentlichkeit, aber nicht alle machen auch sich selbst dabei öffentlich. Meist geschieht es unter einem Pseudonym. Oder die Texte, die Filmaufzeichnungen, die Interviews werden in anderer Form anonymisiert. Es gibt Opfer, die alles offenlegen, auch ihren Namen und den des Täters oder der Täter. Aber die Mehrzahl der Opfer verhält sich nicht so, und sie wird gute Gründe dafür haben.

Denn es ist noch immer so, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Gesellschaft Missbrauchsopfer in die Rolle des ewigen Opfers drängt. Einmal Opfer – immer Opfer. Damit erfolgt unweigerlich eine Festlegung auf die Rolle des Schwachen, des Leidenden, des endlos Traumatisierten, des lebenslang psychisch Kranken. Es ist nur zu verständlich, dass sich die Mehrheit der Opfer mit diesem Bild nicht identifizieren möchte. Und es ist nachvollziehbar, dass sich eine erwachsene Frau lieber hinter einem Pseudonym verbirgt, als sich in die Gefahr zu begeben, wegen Missbrauchserfahrungen in ihrer Kindheit, die nicht in ihrer Verantwortung lagen, gegenwärtig und zukünftig stigmatisiert zu werden.

Mein Fazit: Öffentlich ist Kindesmissbrauch weitgehend kein Tabu mehr, aber im privaten Leben sieht man es nach wie vor zumindest als sehr heißes Eisen, das man mit bloßen Händen nicht anfassen kann. Also greift man es mit der Zange, um es anschließend am liebsten ganz schnell wieder fallen zu lassen. Und dann geht man unauffällig weiter, als wenn nichts geschehen wäre.

Du siehst dem Teufel gehorsam in die Augen, aber du willst seinen Namen nicht nennen. Russisches Sprichwort

Sexueller Missbrauch – Zahlen, Fakten, Informationen

Meine Zusammenarbeit als Ghostwriterin mit den Frauen, die in ihrer Kindheit Opfer sexueller Gewalt wurden, besteht vor allem darin, dass ich ihnen stundenlang zuhöre. Falls der Redefluss ins Stocken gerät, was häufig geschieht, sei es, weil die Erinnerungen versiegen, trügen oder zu schmerzhaft sind, dann helfe ich mit zielführenden Fragen und Vorschlägen oder einfach nur mit Trost, Verständnis und Solidarität im gemeinsamen Schweigen und Trauern.

Doch auch über die Interviews mit den betroffenen Frauen hinaus beschäftige ich mich natürlich sehr oft mit dem Thema. Mittlerweile habe ich mir zahlreiche Bücher dazu besorgt. Aber auch und vor allem das Internet bietet mir umfangreiche Informationsquellen. Wobei ich beim Lesen und Recherchieren das Ganze wesentlich breiter fasse. Mir geht es nicht nur um den sexuellen Missbrauch bzw. die sexuelle Gewalt an Kindern im engeren Sinne, sondern ganz allgemein um emotionale und körperliche Gewalt, was die sexuelle Gewalt ja häufig einschließt.

Was versteht man eigentlich unter sexuellem Missbrauch bzw. sexueller Gewalt?

Jede sexuelle Handlung, die an Mädchen und Jungen – also an Minderjährigen – vorgenommen wird, ist unter dieser Begrifflichkeit erfasst. Dabei ist davon auszugehen, dass das Kind aufgrund seiner körperlichen, seelischen, geistigen und/oder sprachlichen Unterlegenheit gegenüber dem Täter oder der Täterin überhaupt nicht in der Lage ist, einer sexuellen Handlung wissentlich zuzustimmen. Stattdessen nutzt der Täter oder die Täterin seine/ihre Macht verantwortungslos und egoistisch aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.

Die Handlungen, die als sexueller Missbrauch zu werten sind, weisen eine große Bandbreite aus. Von verbalen sexuellen Anspielungen über Berührungen der Genitalien bis hin zu unmittelbaren sexuellen Handlungen – alles ist sexueller Missbrauch und damit strafbar.

Ich stelle immer wieder fest, dass nicht wenige Menschen der Meinung sind, dass lediglich die schweren Formen sexueller Gewalt, also orale, vaginale und anale Penetration, als strafbare Handlungen anzusehen sind. Das ist nicht der Fall, im Gegenteil. Der Körper des Opfers muss noch nicht einmal berührt oder anderweitig direkt mit einbezogen werden. Also auch ein Exhibitionist oder eine Person, die vor den Augen des Kindes masturbiert, begeht sexuellen Missbrauch.

Ich habe mit zahlreichen Frauen (und einigen Männern) gesprochen, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erlebt hatten. Einige von ihnen waren noch als Erwachsene der Meinung, dass es zum Beispiel nicht strafbar sei, wenn ein Kind aufgefordert wird, an sich selbst sexuelle Handlungen vorzunehmen, während der Erwachsene das Ganze filmt oder fotografiert.

Nein, das ist kein Spiel! Egal, was der Täter dazu meint. Es ist nicht irgendeine unerhebliche Kleinigkeit, auch wenn man dem Kind verspricht, dass es nicht wehtun wird, dass es ja noch nicht mal angefasst wird, und dass es am Ende dafür sogar Geld oder Geschenke erhalten wird. Es ist Missbrauch!

Die Zahlen, sexuellen Missbrauch betreffend, sind alarmierend!

Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass rund 18 Millionen Minderjährige in Europa von sexuellem Missbrauch betroffen sind. Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland sind das rund eine Million Kinder. In jeder Schulklasse sitzen mindestens zwei Kinder, die wenigstens einmal mit sexueller Gewalt in Berührung gekommen sind!

Die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält für das Jahr 2015 rund 12.000 Fälle von sexuellem Missbrauch. Dabei sind 75 Prozent Mädchen und 25 Prozent Jungen betroffen. Und darin sind noch nicht mal die Zahlen enthalten, die jene Fälle erfassen, in denen es sich um Kinderpornografie und um Cybergrooming handelt.

Was ist Cybergrooming?

Mit Cybergrooming wird lt. Wikipedia „das gezielte Einwirken auf Personen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakt“ bezeichnet. Da sich gezeigt hat, dass diese Form der Kontaktaufnahme in sozialen Medien wie Instagram, Snapchat und anderen überwiegend mit dem Ziel praktiziert wird, sexuellen Missbrauch mit Kindern – online oder offline – zu realisieren, stellt Cybergrooming zunehmend eine Gefahr für Kinder und Jugendliche dar.

Missbrauch findet meist im unmittelbaren Umfeld des Opfers statt.

Eine lange bestehende Meinung war, dass Missbrauch überwiegend von Fremden zu befürchten ist. Jahrzehntelang wurden Kinder vor dem „bösen Fremden“ gewarnt.

„Geh mit keinem Mann mit!“

„Nimm nichts Süßes von Fremden!“

Doch sexueller Missbrauch findet am häufigsten (ca. 25 Prozent) im engeren Familienkreis statt. Ca. 50 Prozent der Täter kommen aus dem näheren sozialen Umfeld der Minderjährigen. Hierzu zählen Nachbarn, Bekannte und Freunde der Familie und andere Bezugspersonen in Schulen, Einrichtungen und Vereinen.

Fremdtäter sind dagegen eher die Ausnahme.

Warum schweigen so viele missbrauchte Opfer jahrelang?

Es dürfte nicht verwundern, dass bei diesen Angaben die Dunkelziffer extrem hoch ist. Häufig sind die Opfer kleinere Kinder, die zu brauchbaren Aussagen noch gar nicht fähig sind. Aber auch größere Kinder wissen meist gar nicht so richtig, was ihnen passiert ist. Und sie haben eine natürliche Scheu davor, über Dinge zu reden, die sie nicht wirklich verstehen, die sie aber dennoch als unangenehm und peinlich empfinden. Hinzu kommt, dass es umso schwieriger ist, als Kind ehrliche Angaben zu machen, wenn womöglich der Vater, der Stiefvater oder der Bruder als Täter infrage kommen.

Ein nicht zu unterschätzender Grund für das oft jahrelange Schweigen der missbrauchten Kinder ist die Tatsache, dass sie sich meist sehr stark für den Fortbestand ihrer Familie verantwortlich fühlen. Dies trifft vorrangig auf Mädchen zu. Ein Täter trifft somit stets ins Schwarze, wenn er dem Kind zum Beispiel androht, dass die Geschwister in Kinderheimen untergebracht werden, dass die Mutter krank werden wird, dass der Täter weggehen muss, wenn das Opfer „das Geheimnis“ preisgeben würde.

Den Opfern wird selten geglaubt.

Auf der anderen Seite haben wir es mit dem Phänomen zu tun, dass den missbrauchten Kindern, die sich nach anhaltenden körperlichen und seelischen Qualen endlich öffnen, sich einem Erwachsenen anvertrauen möchten, nur allzu häufig kein Glauben geschenkt wird. Oft wird das Kind sogar als Lügner hingestellt. Und so erfährt das Opfer neben der Scham und den körperlichen Schmerzen auch noch Ablehnung, wodurch sich Gefühle wie Schuld, Einsamkeit und Minderwertigkeit noch verstärken.

Marion Horn, ehemalige Chefredakteurin von Bild am Sonntag und Vorstandsmitglied der Stiftung Ein Herz für Kinder, sagte dazu: „Ein betroffenes Kind muss im Schnitt acht Erwachsene ansprechen, bis ihm endlich jemand hilft.“

Diese Aussage entspricht auch dem, was ich in unzähligen Interviews mit Betroffenen erfahren habe. Meist erlebten die Kinder drei bis vier mal eine Situation, in der sie einen Erwachsenen mit dem Ungeheuerlichen, mit dem Unaussprechlichen konfrontierten oder dies zumindest im Ansatz versuchten. Manchmal geschah dies auch völlig unabsichtlich, zum Beispiel „verriet“ sich das Kind durch auffällige Handlungen während eines Spiels, in welchem es sich unbeobachtet fühlte.

Kinder erleben somit nicht nur mehrmals die innere Qual, ein dunkles, ein gefährliches „Geheimnis“ trotz des Verbots preiszugeben, sondern man mutet ihnen auch mehrmals zu, trotz ihrer erlittenen Qualen beschimpft, abgelehnt und allein gelassen zu werden.

Ich habe nicht nur einmal gehört, dass missbrauchte Kinder sich anschließend völlig zurückzogen und nie wieder den Versuch unternommen haben, sich einem Erwachsenen anzuvertrauen.

Wenn man dem Ausspruch von Marion Horn folgt, so gibt es offenbar nicht wenige Kinder, die hartnäckiger sind und bis zu acht mal den Versuch unternehmen, ihre hässlichen Erlebnisse jemandem zu offenbaren. Wie viel Energie, wie viel Mut, wie viel Unerschrockenheit und Hartnäckigkeit müssen diese gepeinigten Mädchen und Jungen aufbringen, um sich wenigstens einen Rest von Würde, von körperlicher und seelischer Unversehrtheit bewahren zu können!

80 bis 90 Prozent der Missbrauchstäter sind erwachsene Männer und männliche Jugendliche.

Experten gehen davon aus, dass rund 90 Prozent Täter sind und rund 10 Prozent Täterinnen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik stellte für 2015 fest, dass in Deutschland rund 5 Prozent des sexuellen Missbrauchs an Kindern von Frauen begangen wurde.

Dabei wird allerdings angenommen, dass es bei der Zahl der weiblichen Täter eine beachtliche Dunkelziffer geben dürfte. Sexueller Missbrauch wird Frauen häufig gar nicht zugetraut. Diesbezügliche Taten von Frauen werden somit auch seltener entdeckt und thematisiert.

Wer als Kind sexuelle Gewalt erleben musste, leidet meist lebenslang darunter.

Jeder sexuelle Missbrauch hinterlässt Spuren beim Opfer. Wie traumatisch diese Erlebnisse für die meisten missbrauchten Kinder sind, hängt von vielen Faktoren ab. Wann hat der Missbrauch begonnen? Wie oft und über welchen Zeitraum hat sich der Missbrauch ereignet? Je vertrauter der Täter dem Opfer ist, umso einschneidender werden die Folgen sein.

Für Frauen, die sexualisierte Gewalt in ihrer Kindheit erleben mussten, ist es in jedem Fall eine traumatische Erfahrung. Diese kann sich sehr unterschiedlich auf ihr Leben als Erwachsene auswirken. Besonders häufig sind Störungen der Sexualität. Vielen Missbrauchsopfern gelingt es nicht, eine gesunde Beziehung zu ihrem Körper aufzubauen und somit eine erfüllte Sexualität leben zu können.

Seit einigen Jahren ist anerkannt, dass sexueller Missbrauch posttraumatische Belastungsstörungen hervorrufen kann. Das bedeutet, dass neben psychischen Störungen auch körperliche Reaktionen und gesundheitliche Probleme auftreten. Vor allem sind chronisch auftretende Unterleibsbeschwerden bekannt. Aber auch Migräne, Schwindel, Hauterkrankungen, Beschwerden des Verdauungstraktes sowie Essstörungen und Suchterkrankungen sind sehr häufig.

In Deutschland arbeiten zurzeit 14 Frauengesundheitszentren (Stand 2019).

Eine Liste gibt es hier: www.frauengesundheitszentren.de/BV_pub/

Ich kann nur jeder betroffenen Frau (und/oder den Angehörigen) empfehlen, sich an eines dieser Zentren in ihrer Nähe zu wenden. Neben kostenloser Beratung z. B. zu geeigneten Therapien werden dort auch Vorträge und Informationsveranstaltungen zum Thema sexualisierte Gewalt angeboten.

Es ist nie zu spät, sich Hilfe zu holen!

Leseprobe aus „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“, Teil 2 zu „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“

Die Ich-Erzählerin Susanne K. lässt uns in nachfolgendem Textausschnitt an ihren Empfindungen und Gedanken teilhaben, die sie hatte, als sich ihr Stiefvater der Achtjährigen zum ersten Mal in einer verstörenden, nicht zu tolerierenden Weise näherte …

Ausschnitt aus dem 5. Kapitel:

… Helmut Hiller setzte sich auf die Bettkante, was mir nun doch recht bekannt vorkam. So hatte es damals beim Papa ja auch begonnen …

„So, Susi, nun wollen wir endlich mal damit anfangen, dafür zu sorgen, dass aus dir ein ordentliches junges Mädchen wird. Du bist zwar jetzt noch ein Kind, aber man kann damit nicht früh genug starten.“

Ich starrte ihn stumm an, denn mit dieser Bemerkung konnte ich wenig anfangen. Dass sich dahinter aber höchstwahrscheinlich nichts Gutes verbergen würde, konnte ich mir aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit meinem Vater und mittlerweile auch mit diesem Stiefvater schon denken.

Mein neuer Vater stand auf und zog mir die Bettdecke vom Körper. Ich lag auf dem Rücken und trug ein Nachthemd, das mir bis knapp über die Knie reichte.

„So, Susi“, wiederholte er mit seiner leisen, weich klingenden Stimme. „Und nun zieh mal das Hemd aus, jetzt will ich mal kontrollieren, ob du auch überall schön sauber bist.“ Er sah mich an. „Wenn deine Geschwister dabei sind, können wir das schließlich nicht erledigen. Das gehört sich nicht. Thommie und Manu sind ja doch noch recht klein. Aber du bist ja unsere Große, nicht wahr?“, meinte er gönnerhaft.

Ich sagte noch immer nichts, zog mir aber doch lieber rasch mein Hemd aus, Prügel wollte ich deswegen nicht riskieren.

„Sehr schön“, sagte mein Stiefvater sanft. „Und nun spreize mal deine Beine ganz weit auseinander. Ich muss nämlich nachsehen, ob du deine Muschi auch wirklich richtig gründlich gewaschen hast.“

Muschi wurde das Loch zwischen meinen Beinen genannt, mit dem pullerte ich. Frauen und Mädchen hatten eine Muschi, Männer und Jungen hatten einen Puller oder einen Piepel. Diese Begriffe hatte ich auf der Dorfstraße aufgeschnappt, meine Cousinen und Cousins redeten auch so. Zu Hause dagegen wurde eigentlich kaum über „so etwas“ gesprochen. Unsere Mutter bezeichnete das alles zum Beispiel stets nur als „untenrum“. Aber der Stief sprach so, wie ich es auch kannte.

Und nun wollte er also meine Muschi kontrollieren. Ich glaubte ihm kein Wort. Natürlich nicht. Helmut Hiller konnte ja nicht wissen, was sich in genau diesem kleinen Zimmer in exakt diesem Bett bisher schon alles ereignet hatte.

Wortlos spreizte ich meine Beine, und dann musste ich es mir gefallen lassen, dass mein neuer Vater mit seinen Fingern meine Muschi weiter öffnete, außen herumrieb und innen herumstocherte. Es war unangenehm, es kratzte, es drückte, es piekte, es tat auch weh, aber das alles war bei Weitem nicht so schlimm wie meine plötzliche Erkenntnis, dass ES offenbar nun schon wieder losging: dieses seltsame, dieses schreckliche, eigentlich unbeschreibliche ES! Dieses Ekelhafte, Grauenhafte, Schmerzhafte, das mir augenscheinlich immer wieder von irgendwelchen Männern angetan wurde: erst Papa, dann Herr Dressler und jetzt wohl auch der Stief.

Mein Stiefvater beschäftigte sich sehr ausführlich mit meinem Körper, nach der Muschi war der Hintern dran. Ich musste mich auf den Bauch legen, anschließend bohrte Helmuts Zeigefinger in meinem Po-Loch herum, als wenn eine solche Handlung die normalste Sache der Welt wäre. Dass ich hin und wieder unterdrückt „Aua!“ rief und irgendwann anfing, leise vor mich hin zu wimmern und unterdrückt zu schluchzen, schien ihn nicht weiter zu stören.

„Das wird schon noch“, sagte er bloß. Diesen Satz wiederholte er an diesem und an vielen anderen Abenden immer wieder. „Das wird schon noch!“ Der Satz begleitete sein widerliches Treiben in so mancher Nacht, die er in meinem Zimmer, in meinem Bett, war. Immer dann, wenn ich weinte, wenn ich ihn anflehte, aufzuhören, wenn ich ihn bat, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich unter heftigem Schluchzen hervorstieß, mir doch bitte nicht wehzutun, immer dann sagte er garantiert diese vier Worte: „Das wird schon noch.“

Manchmal, wenn ich die Augen schließe und mich darauf konzentriere, dann höre ich noch heute seine unerträglich sanfte, leise Stimme. Und ich rieche plötzlich auch sein Rasierwasser, ich mochte den Geruch bis zum Schluss nicht. Es stank irgendwie medizinisch, nach Kampfer, glaube ich. Das Zeug hieß „Pitralon“.

Dann spüre ich in Gedanken Helmut Hillers Hände auf meinem Körper, Hände, die meist kalt waren und oft unangenehm feucht. Und ich höre wie aus der Ferne wieder einmal diesen Satz: „Das wird schon noch!“ …