Missbraucht: Sie nannten mich Püppi

Ein Buch über Kinderpornografie in den Fünfzigerjahren in der DDR

Seit gestern ist mein neues Buch „Missbraucht: Sie nannten mich Püppi“ bei Amazon als E-Book erhältlich.

www.amazon.de/dp/B09TY72CZF

Klappentext:

Ost-Berlin, Fünfzigerjahre: Uschi ist erst fünf Jahre alt, doch sie weiß längst, dass ihre Mutter eine Hure ist. Eines Tages besucht sie der Foto-Onkel, aber der will nicht die Mama, er will Uschis Körper, ihre Unschuld, ihre Kindlichkeit. Aus Uschi wird Püppi – eine hart arbeitendes Modell für Kinderpornografie.

Später kommen noch Mamas Freund und Uschis Halbschwester in die Familie. Und als die Eltern „Die Puppenstube“ gründen, erfahren die beiden kleinen Mädchen, dass sich bereits erlebtes Grauen offenbar beliebig steigern lässt …

Zum Entstehungsprozess des Buches:

Ursula H. lernte ich durch eine gemeinsame Bekannte kennen. Sie wusste, dass ich als Ghostwriterin schon seit vielen Jahren Autobiografien und Biografien im Auftrag von Privatpersonen schreibe. Sie kannte auch meine Bücher über die Missbrauchserfahrungen von Kindern.

Kindheitshölle Teil 1 und Teil 2 sowie Missbraucht: Danach wollte ich tot sein.

Ob ich ihre Erlebnisse und Erfahrungen ebenfalls aufschreiben könnte? Ich konnte.

Ende Mai 2021 begann wir mit den Interviews. Wir führten zahlreiche stundenlange Gespräche, in denen mir Frau H. ihre unfassbar grausame Lebensgeschichte erzählte.

Leider konnten wir unsere Treffen über einen längeren Zeitraum nicht stattfinden lassen, da es uns coronabedingt einfach zu gefährlich wurde. Wir versuchten es dann übers Telefon, auch Skype kam zum Einsatz. Aber die persönlichen Unterhaltungen, in denen wir uns gegenüber saßen und die Reaktionen der Gesprächspartnerin ungefiltert aufnehmen konnten, die waren für beide Beteiligten die wertvollsten.

Unsere Gespräche zogen sich bis in den Herbst hinein, anschließend begann ich mit dem Schreiben. Während des Aufschreibens hatte ich immer wieder Nachfragen, somit gab es ergänzende Unterhaltungen, die oft auch ganz neue Aspekte zutage brachten.

Zuvor hatte ich nicht allzu viel über Kinderpornografie gewusst, dass dies für die beteiligten Kinder immer schmerzhaft und angstbesetzt ist, war mir aber selbstverständlich klar. Doch es ist schließlich eine vollkommen andere Sache, wenn einem das ganze Grauen von einer Frau unmittelbar berichtet wird, von einer Frau, die dies alles als Kind am eigenen Leib hatte erfahren müssen.

Ich war entsetzt, erschüttert und tief betroffen von dem, was Frau H. aus ihrer Erinnerung hervorholte. Es war sicher für sie nicht immer einfach, darüber zu berichten, wie sie als unschuldiges kleines Mädchen von herzlosen, gewissenlosen, krankhaft gierigen Männern missbraucht und erniedrigt worden war.

Mich hat fassungslos gemacht, dass die kleine Uschi jahrelang von diesen gierigen Monstern benutzt werden durfte, ohne das ein Erwachsener eingriff. Die Mutter interessierte sich nur für das Geld, das die Tochter ihr einbrachte. Und die Rolle, die der „Stiefvater“ für einige Zeit spielte, war im Grunde ja noch schlimmer als die der professionellen Verbrecher aus der Pornobranche.

Frau H. konnte ungefähr zehn Jahre nach Beendigung ihrer Qualen ihre erste Psychotherapie beginnen. Bis heute ist sie mit wenigen Unterbrechungen fast ständig in psychotherapeutischer Behandlung.

Sie lebt allein, sie hat keine Kinder, sie war nie schwanger. Die körperliche Nähe von Männern kann sie nicht ertragen.

Manchmal hat sie Selbstmordgedanken, hin und wieder wird sie sogar von Mordgedanken befallen. Doch Frau H. findet die Täter von damals nicht. Sie kann sich nicht rächen. Sie kann diese Männer nicht befragen und nicht zur Verantwortung ziehen – mit welchen Mitteln oder Methoden auch immer. Die Peiniger von Frau H. sind mit Sicherheit verstorben.

Die gewissenlose Mutter ist schon lange tot, der Stiefvater ebenso, und auch die geliebte Halbschwester, mit der die kleine Uschi gemeinsam viele schmerzhafte Stunden des Missbrauchs durch den Stiefvater erleben musste, lebt seit mehr als vier Jahrzehnten nicht mehr. Sie hat ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt.

Dies erfahre ich immer und immer wieder: Wenn sich die Opfer endlich in der Lage sehen, über die ihnen widerfahrenen Gräueltaten zu sprechen, dann sind sie allermeist schon im Rentenalter, oft sogar schon weit darüber. Und damit klagen sie fast ausschließlich Tote an.

Es war für Frau H. dennoch eine Art Befreiungsakt, ihr Leben zu erzählen zu dürfen. Aber es ist kein Allheilmittel. Der innere Schmerz bleibt. Das Anderssein bleibt. Dieses Anderssein-Müssen, wie Frau H. es nennt. Denn das, was sie erlebt hat, macht ihr ein normales Leben für alle Zeiten unmöglich.

 

Die Weggesperrten. Umerziehung in der DDR – Schicksale von Kindern und Jugendlichen

Ein wichtiges Sachbuch von Grit Poppe und Niklas Poppe

Die Potsdamer Autorin Grit Poppe hat zahlreiche bekannte Romane geschrieben, in denen sie sich mit der Situation von Kindern und Jugendlichen beschäftigt, die in der DDR in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen weggesperrt wurden, wo sie zu sogenannten sozialistischen Persönlichkeiten erzogen werden sollten.

Für ihr Buch „Weggesperrt“ erhielt die Schriftstellerin den „Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendliteratur“. Der Jugendroman ist Pflichtlektüre für die Klassenstufen 8 bis 10.

Und ganz neu: Für den Roman „Verraten“ bekam sie im Oktober 2021 den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis.

Wer sich über ihre zahlreichen Bücher und aktuelle Lesungen informieren möchte, kann ihre Website besuchen.

www.grit-poppe.de

Jetzt kam das erste Sachbuch dieser Autorin auf den Markt, das in Zusammenarbeit mit ihrem Sohn Niklas Poppe entstanden ist.

Das über 400 Seiten starke Werk wurde im Oktober 2021 vom Propyläen Verlag herausgegeben. Titel: „Die Weggesperrten. Umerziehung in der DDR – Schicksale von Kindern und Jugendlichen“.

Die grausamen Strafen und zahlreichen Demütigungen, das ganze Ausmaß an Gewalt und Machtmissbrauch, das die Jugendlichen damals in diesen Einrichtungen erfahren mussten, wird mit großer Eindringlichkeit geschildert.

Die Schicksale gehen unter die Haut.

Erst werden die Örtlichkeiten vorgestellt und die wichtigsten Vorgänge und Rituale der Einrichtung beschrieben, im Anschluss gibt es zu jeder Station authentische Berichte ehemaliger „Insassen“.

Die ergreifenden Dokumente ehemaliger „Zöglinge“ wurden von der Autorin Grit Poppe und dem Historiker Niklas Poppe durch weitere Berichte und Schicksale ergänzt, die sich ebenfalls mit physischer und emotionaler Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendfürsorge und anderen Heimen befassen.

So runden die Jugendkonzentrationslager im Nationalsozialismus, die Not sogenannter Verdingkinder in der Schweiz, die „braune Pädagogik“ im Jugendfürsorgeheim Glückstadt und der Haasenburg-Skandal im Land Brandenburg das Bild ab.

Nicht zuletzt wurde auch der Heimerziehung in kirchlichen Einrichtungen der damaligen DDR ein Kapitel gewidmet. In diesem Zusammenhang wurde mein Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ genannt. Ein Kapitel daraus ist im Buch „Die Weggesperrten“ abgedruckt; es geht hier um das von den Nonnen verteufelte vielfältige sündhafte Verhalten, dem wir Klosterkinder natürlich unbedingt fernzubleiben hatten.

Ich erinnere mich noch genau, dass ich damals eigentlich gar nicht so recht wusste, was das überhaupt ist: eine Sünde. Wie einfach, wie schnell und wie oft gerade so ein ahnungsloses, unwissendes Kind dann plötzlich ausgerechnet eine solche Sünde begehen kann, ist sicher nachzuvollziehen. Doch bestraft wurden wir trotzdem. Denn Unwissenheit schützt ja bekanntlich nicht vor Strafe!

„Die Weggesperrten“ – ein wichtiges und sehr interessantes Buch, das ich empfehlen möchte.

Und eine gute Gelegenheit, um auch mal wieder auf mein Memoir „Klosterkind. Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ aufmerksam zu machen.

Erhältlich bei Amazon zum aktuellen Preis von 3,99 € sowie kostenfrei für alle Kindle-Unlimited-Mitglieder.

Neues Buch von Marie A. Böhm – „Missbraucht: Danach wollte ich tot sein!“

Am 09. Mai 2021 wurde bei Amazon Kindle Direct Publishing mein neues Buch „Missbraucht: Danach wollte ich tot sein!“ veröffentlicht.

Es beinhaltet sieben Schicksalsberichte von Frauen, die alle in ihrer Kindheit Opfer von sexuellem Missbrauch wurden.

Klappentext:

Anja ist gerade fünf Jahre alt, als ihr Pflegevater sich das erste Mal an ihr vergeht. Cornelia erlebt im Alter von neun Jahren sexuelle Gewalt durch einen Fünfzehnjährigen aus dem Dorf, und Nicole wird seit dem achten Lebensjahr von ihrer Mutter missbraucht …

Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis:

Täter: Vaters Geschäftsfreund. Opfer: Daniela, 10 Jahre

Täter: Der Trainer. Opfer: Melanie, 9 Jahre

Täter: Der Stiefvater. Opfer: Ulrike, 6 Jahre

Täter: Die Mutter. Opfer: Nicole, 8 Jahre

Täter: Ein Junge aus dem Dorf. Opfer: Cornelia, 9 Jahre

Täter: Der Nachbarsjunge. Opfer: Karin, 8 Jahre

Täter: Der Pflegevater. Opfer: Anja, 5 Jahre

 

Zur Einstimmung ein paar Gedanken zum Thema Missbrauch, die dem Buch vorangestellt sind:

Missbrauch

Es gibt Leute, die machen so Sachen mit kleinen Mädchen.

Diese Sachen sind nicht gut für die kleinen Mädchen.

Die kleinen Mädchen wissen meist gar nicht, was diese Sachen bedeuten.

Aber sie finden ES immer eklig, fremd, abstoßend, furchteinflößend.

Die kleinen Mädchen verstehen nicht, was mit ihnen passiert.

Sie haben Angst.

***

Sie begreifen schnell, dass ES immer wehtut.

ES tut am Körper weh, und ES tut im Herzen weh.

Sie begreifen schnell, dass ES nicht aufhören wird.

Sie erfahren schmerzhaft, dass niemand ihnen glaubt.

Sie lernen: Es gibt Erwachsene, die machen Kinderseelen einfach kaputt.

Sie erleben: Aus einem kleinen Mädchen mit zerstörter Kinderseele wird eine kaputte Frau.

Eine solche Frau benötigt oft sehr viele Jahre, um ihre verletzte Kinderseele wenigstens ein bisschen heil zu machen. Manchen Frauen gelingt es nie.

***

Die meisten Täter werden nie gefasst, nie zur Verantwortung gezogen, nie bestraft.

Nicht selten werden die Kaputtmacher von anderen Leuten gedeckt;

sie ziehen um, werden irgendwohin versetzt, können sich hinter Familien-Biederkeit versteckten.

Mitunter ist „die Sache“ auch bereits verjährt,

wenn sie von einem Opfer endlich ausgesprochen werden kann.

***

Mord dagegen verjährt nie.

Warum aber verjährt

die Ermordung des kindlichen Urvertrauens,

der Totschlag des kindlichen Selbstwertgefühls,

die grausame Tötung des magischen Kerns einer jeden Kindheit – der Unschuld?

Missbrauch sollte nicht verjähren dürfen,

denn die Opfer brauchen viel Zeit, Verständnis und Geduld.

 

Und hier ist der Link zur Amazon-Produktseite:

https://www.amazon.de/dp/B094H9GY69

Ich wünsche mir als Ghostwriterin/Autorin des Buches und auch im Namen der sieben Frauen, dass diese Schicksale ihren Weg zu möglichst vielen Lesern und Leserinnen finden werden.

Ist sexueller Missbrauch von Kindern noch immer ein Tabuthema?

Was ist überhaupt ein Tabuthema? Im Internet dazu gefunden: „Ein Tabuthema ist ein Thema, über das nicht gesprochen wird bzw. nicht gesprochen werden darf.“

Ist sexuelle Gewalt an Kindern bzw. sexueller Missbrauch von Kindern hier und heute wirklich noch ein Tabuthema?

Der Versuch einer Annäherung …

Zu Beginn der Neunzigerjahre wurde in den Medien viel über den Fall Woody Allan debattiert. Der amerikanische Regisseur, Autor und Schauspieler wurde beschuldigt, eine seiner Adoptivtöchter (Dylan, damals sieben Jahre alt) sexuell missbraucht zu haben. Dylan äußerte sich später als junge Frau dazu mehrfach in der Öffentlichkeit, Woody Allen bestreitet das Ganze bis heute.

Mit einer anderen Pflegetochter, einer Adoptivtochter seiner Ehefrau Mia Farrow, der damals 20jährigen Soon-Yi, begann er eine heimliche Liebesbeziehung. Mia Farrow entdeckte Aktfotos von Soon-Yi, die Allen aufgenommen hatte. Er gab daraufhin das Verhältnis zu. Die 35 Jahre jüngere Soon-Yi und Allen heirateten nach Allens Scheidung von Mia Farrow.

In den Jahren 2009 und 2010 schlug ein weiterer Fall hohe Wellen. Es hieß, der bekannte Filmregisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Roman Polanski habe eine Dreizehnjährige missbraucht. 2017 meldeten sich zwei weitere Opfer im Alter von 16 beziehungsweise 10 Jahren, die angaben, von Polanski sexuell missbraucht worden zu sein. Polanski lebt seit der ersten Anschuldigung nicht mehr in den USA, Amerikas Ausweisungsanträge an die Schweiz bzw. später an Polen scheiterten.

Zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen

Ebenfalls 2010 wurden unzählige Missbrauchsfälle durch Priester in katholischen Jungenschulen bekannt. Kurz darauf machten ehemalige Schüler der renommierten Odenwaldschule darauf aufmerksam, dass sogar in einer solchen reformpädagogischen Vorzeigeeinrichtung sexueller Missbrauch systematisch und massenhaft von Erziehern praktiziert wurde.

In der Folgezeit meldeten sich zunehmend Erwachsene zu Wort, die als Kinder Opfer sexueller Gewalt in kirchlichen Kinderheimen geworden waren.

Ich wurde zwar nicht sexuell missbraucht, aber ich habe in den Fünfzigerjahren zwei Jahre in einem katholischen Waisenhaus leben müssen und weiß daher aus eigener Erfahrung, dass die Nonnen gegenüber den ihnen anvertrauten Zöglingen massive physische und emotionale Gewalt ausübten. Unter dem Deckmantel christlicher Nächstenliebe und Fürsorge hatten die barmherzigen Schwestern und die Priester freie Hand gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern. Und es gibt noch heute nicht wenige Vorfälle dieser Art.

Immer mehr Missbrauchsfälle geraten an die Öffentlichkeit

Auch zahlreiche Missbrauchsfälle, die in Deutschland und in anderen Ländern seit der Jahrtausendwende aufgedeckt wurden (und immer noch werden), hat man in den vergangenen Jahren öffentlich diskutiert. Da war der Missbrauch auf dem Campingplatz in Lüdge, es gab den Fall Josef Fritzl oder auch die Missbrauchsdiskussion um Michael Jackson, um hier nur einige wenige zu nennen.

Eine kleine Chronik dieser Verbrechen wird so nach und nach auf diesem Blog entstehen.

Man kann also durchaus sagen, dass das Thema Missbrauch in jüngerer Vergangenheit massiv durch die Medien ging und eine gesellschaftliche Debatte auslöste.

Kindesmissbrauch als Thema in den Medien

Im Grunde könnte man fast von einer Medienflut in Sachen Missbrauch sprechen. Dabei werden die Macher nicht nur der Informationsseite des Ganzen in Form von Nachrichten, Dokumentationen oder Talkrunden gerecht, auch die Unterhaltungsbranche würdigt die Aktualität des Gegenstandes in beachtlichem Umfang und hat darüber hinaus natürlich auch das Spannungspotenzial des Themas entdeckt. Es gibt mittlerweile zahlreiche gute und weniger gute Fernsehfilme insbesondere aus dem Krimi-Genre, die Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie zum Inhalt haben.

Natürlich trägt auch und sicher vorrangig das Internet dazu bei, dass das Thema sexueller Missbrauch verstärkt Beachtung findet.

Gibt man bei Google „Sexueller Missbrauch“ ein, so erhält man rd. 3.660.000 Ergebnisse. Darunter befinden sich auch zahlreiche Hilfeseiten für Opfer und für Angehörige von Opfern. Hier erhält man auch Informationen, wenn man der Auffassung ist, im persönlichen Umfeld einen Fall von Kindesmissbrauch bemerkt zu haben.

Sexuelle Gewalt als Thema auf dem deutschen Buchmarkt

Und nicht zuletzt ist das Thema sexuelle Gewalt an Kindern natürlich auch auf dem Buchmarkt angekommen. Ob als Sachbuch oder Fachbuch, ob als Roman oder Kurzgeschichte, die Vielzahl der Veröffentlichungen erweckt durchaus den Eindruck, dass sexuelle Gewalt an Kindern kein Nischenthema mehr zu sein scheint.

Auffallend ist, dass zahlreiche Bücher über Kindesmissbrauch von Selfpublishern verfasst und herausgegeben wurden. Es handelt sich hier überwiegend um Erfahrungsberichte mit dem Ziel, die Ungeheuerlichkeiten des Missbrauchs in der eigenen Kindheit zu dokumentieren und darüber hinaus aufzuzeigen, wie schwierig sich das Leben eines ehemaligen Missbrauchsopfers als Erwachsener gestalten kann. Solche Bücher möchten sicher nicht nur informieren, sondern auch Mut machen. Und sie haben darüber hinaus nicht selten den Effekt, dass das Aufschreiben der eigenen Erlebnisse oder das Aufschreibenlassen durch einen Ghostwriter für ein Missbrauchsopfer zumindest im Ansatz auch eine Therapiefunktion haben kann.

Weiterhin gibt es zunehmend selbstpublizierte Bücher zum Thema Missbrauch, die offenbar vordergründig abschreckende Wirkung beim Leser erzeugen möchten. Die Grausamkeiten des Kindesmissbrauchs werden zusätzlich durch düstere Örtlichkeiten, Ekelfaktoren, äußerlich abstoßend wirkende Täter, Foltermethoden u. Ä. verstärkt. Hier wird vor allem die Faszination des Abartigen bedient.

Ist sexueller Missbrauch noch immer ein Tabuthema?

Ist mit Blick auf all diese Faktoren das Thema sexueller Missbrauch bzw. sexuelle Gewalt an Kindern tatsächlich noch immer als Tabuthema anzusehen?

Ja und nein, ich denke, man muss dabei beide Seiten der Medaille betrachten.

Auf der einen Seite – in der Öffentlichkeit, in der Welt der Medien und des Buchmarktes – ist der sexuelle Kindesmissbrauch durchaus ein Thema, über das nicht mehr hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Seitens der Täter wird zwar viel verharmlost, heruntergespielt und geleugnet. Und es entsteht auch oftmals der Eindruck, dass die Justiz es Missbrauchsopfern schwer macht, zu ihrem Recht zu kommen. Verhör- und Befragungstaktiken, Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Verjährungsfristen und letztendlich das von den Opfern häufig als entschieden zu milde bezeichnete Strafmaß stehen immer wieder in der Kritik.

Von einem Tabuthema kann hier wirklich nicht die Rede sein.

Das Tabu aber besteht nach wie vor. Nicht in der Öffentlichkeit, sondern in der Familie, im näheren Umfeld des Opfers, in der Schule, der Gemeinde, eben dort, wo das Opfer zum Opfer wird. Hier wird nach wie vor kaum über sexuelle Gewalt gesprochen. Solche Sachen passieren immer noch nicht hier und genau bei uns, sondern sie passieren immer nur den anderen, anderswo, weit weg am besten.

… Mein Mann macht das nicht, unser Opa würde so etwas nie tun, dieser Lehrer und jener Erzieher sind über so einen Verdacht natürlich erhaben. Der Onkel ist nicht pädophil, der ist nur ein bisschen anders, und eine Mutter macht so etwas schon gar nicht, eine Frau als Täterin ist ohnehin schlecht vorstellbar. Das Kind lügt, es hat eine blühende Fantasie, es weiß ja gar nicht, was es da redet …

Und es gibt noch eine weitere Tabu-Seite. Das Opfer selbst will sich nicht outen. Zwar gehen seit einiger Zeit nicht wenige Opfer mit ihren Missbrauchserlebnissen an die Öffentlichkeit, aber nicht alle machen auch sich selbst dabei öffentlich. Meist geschieht es unter einem Pseudonym. Oder die Texte, die Filmaufzeichnungen, die Interviews werden in anderer Form anonymisiert. Es gibt Opfer, die alles offenlegen, auch ihren Namen und den des Täters oder der Täter. Aber die Mehrzahl der Opfer verhält sich nicht so, und sie wird gute Gründe dafür haben.

Denn es ist noch immer so, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Gesellschaft Missbrauchsopfer in die Rolle des ewigen Opfers drängt. Einmal Opfer – immer Opfer. Damit erfolgt unweigerlich eine Festlegung auf die Rolle des Schwachen, des Leidenden, des endlos Traumatisierten, des lebenslang psychisch Kranken. Es ist nur zu verständlich, dass sich die Mehrheit der Opfer mit diesem Bild nicht identifizieren möchte. Und es ist nachvollziehbar, dass sich eine erwachsene Frau lieber hinter einem Pseudonym verbirgt, als sich in die Gefahr zu begeben, wegen Missbrauchserfahrungen in ihrer Kindheit, die nicht in ihrer Verantwortung lagen, gegenwärtig und zukünftig stigmatisiert zu werden.

Mein Fazit: Öffentlich ist Kindesmissbrauch weitgehend kein Tabu mehr, aber im privaten Leben sieht man es nach wie vor zumindest als sehr heißes Eisen, das man mit bloßen Händen nicht anfassen kann. Also greift man es mit der Zange, um es anschließend am liebsten ganz schnell wieder fallen zu lassen. Und dann geht man unauffällig weiter, als wenn nichts geschehen wäre.

Du siehst dem Teufel gehorsam in die Augen, aber du willst seinen Namen nicht nennen. Russisches Sprichwort

Die Bestrafung von Tätern für sexuellen Missbrauch

Schlagzeilen verkündeten „hohe Strafen für sexuellen Missbrauch“! Wie hoch sollte die Strafe sein für jemanden, der die Seele eines kleinen Mädchens so kaputt macht, dass sein ganzes Leben dadurch beeinträchtigt wird? Lebenslänglich?

Anfang dieses Monats gab es in den Medien zahlreiche Meldungen über einen Gerichtsprozess, in dessen Ergebnis zwei 39-jährige Männer wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurden.

Der Fall

Die beiden Männer stammen aus Krefeld bzw. aus Viersen, sie lernten sich übers Internet kennen. Das Internet wurde ihnen letztendlich auch zum Verhängnis, denn im Zusammenhang mit dem groß angelegten Missbrauchsverfahren – dem sogenannten Missbrauchskomplex Bergisch-Gladbach – wurden die beiden auffällig, da es zwischen ihnen und anderen des sexuellen Missbrauchs Verdächtigen zahlreiche digitale Kontakte gab, die nun aufgedeckt wurden. Die ganze Sache geriet ins Rollen, nachdem im Oktober 2019 bei einem Mann in Bergisch Gladbach Tausende kinderpornografische Bilder und Videos entdeckt wurden. Der 43-jährige Familienvater wurde festgenommen.

Die polizeilichen Nachforschungen wirkten daraufhin wie das bekannte „Schneeballsystem“, so dass man letztendlich über eine riesige Datenmenge verfügte, die es seitens der polizeilichen Ermittlungsgruppe „Berg“ zu prüfen galt. Diese Gruppe besteht aus weit über hundert Mitgliedern, sie arbeitet heute noch. Der Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW, Marcus Hartmann, sprach in diesem Zusammenhang von einer Zahl von 30.000 verdächtigen IP-Adressen. Das entspricht nicht zwangsläufig einer Zahl von 30.000 unbekannten Tatverdächtigen, da der eine oder andere Täter ja durchaus mit mehreren Geräten und mehreren IP-Adressen operiert haben könnte. Dennoch ist es eine unglaubliche Zahl!

Der Missbrauchsfall von Bergisch Gladbach wurde so zum größten Verfahren wegen sexueller Gewalt an Kindern in der Geschichte der nordrhein-westfälischen Polizei.

Die Anklage:

Die beiden Männer aus Krefeld und Viersen wurden wegen schweren sexuellen Missbrauchs in über 100 Fällen und wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften angeklagt.

Der Krefelder hat im Verfahren gestanden, seine Tochter seit 2016 regelmäßig sexuell missbraucht zu haben. Er lebt von der Mutter des Mädchens getrennt. Im Rahmen einer Umgangsregelung hielt sich seine Tochter häufig besuchsweise bei ihm auf.

Das Mädchen ist heute elf Jahre alt, sie wurde also seit ihrem siebten Lebensjahr über einen Zeitraum von vier Jahren von ihrem Vater sexuell missbraucht.

Der Mann aus Krefeld gestand weiterhin, dass er sich ab Frühjahr 2017 gemeinsam mit dem Mann aus Viersen an dessen Nichte sexuell vergangen hatte.

Der Viersener dagegen gestand zwar, seine Nichte seit 2015 sexuell missbraucht zu haben, jedoch gab er nur ungefähr ein Drittel der ihm zur Last gelegten Fälle zu. Zum Vorwurf des gemeinschaftlichen Missbrauchs schwieg er bis zum Ende der Verhandlungen.

Beide Männer hatten ihre Taten in großem Maßstab fotografiert und auch gefilmt.

Die Nichte des Vierseners ist heute zwölf Jahre alt. Als sie von ihrem Onkel zum ersten Mal missbraucht wurden, war sie gerade mal sieben Jahre alt. Sie wurde über einen Zeitraum von fünf Jahren missbraucht – in den letzten beiden Jahre sogar von zwei Männern. Das Mädchen war häufig bei ihrem Onkel in Viersen zu Besuch, wenn ihre Mutter – die Schwester des Täters – etwas zu erledigen hatte oder sich mal eine „kinderfreie Zeit“ gönnen wollte.

Das Urteil:

Der Mann aus Krefeld muss für dreizehneinhalb Jahre ins Gefängnis.

Der Mann aus Viersen erhielt eine Freiheitsstrafe von vierzehneinhalb Jahren. Dass man ihm ein Jahr länger aufgebrummt hat, hat er der Tatsache zu verdanken, dass er im Gegensatz zu dem Krefelder nicht so umfassend geständig war.

Und danach? Was wird sein?

1. Die Täter:

Der Krefelder wird ca. 53 Jahre alt sein, wenn er seine Strafe vollständig verbüßt haben wird. Unter bestimmten Voraussetzungen könnte er aber auch früher entlassen werden.

Der Viersener wird ca. 54 Jahre alt sein. Aber natürlich kann auch er vorzeitig entlassen werden.

Ich stelle mir die Männer vor, wie sie am Entlassungstag mit ihren Reisetaschen oder Rucksäcken, mit Koffer, Karton oder Plastiktüten aus dem Tor der Justizvollzugsanstalt – kurz Knast – heraustreten. Mit ergrautem Haar, vielleicht auch schon mit Halb- oder Vollglatze. Aber das ist ja relativ unwichtig bei einem Mann. Die Klamotten, die sie tragen, werden sicher nicht nach der neuesten Mode sein, die Haut fahl und blass, der Körper aktuell bestimmt nicht gerade durchtrainiert. Aber das kann man alles ändern. Für wenig Geld und mit wenig Aufwand. Etwas Disziplin und etwas Solarium – das kann für den Anfang schon eine Menge ausmachen.

Die berufliche Karriere – falls es zuvor überhaupt eine gegeben haben sollte – ist nach so vielen Jahren ordentlicher Job-Abstinenz höchstwahrscheinlich im Eimer. Ob Resozialisierungsmaßnahmen in ausreichendem Maße greifen können, hängt wohl vor allem von der Persönlichkeit jedes Einzelnen ab und nicht zuletzt davon, ob er bei allen seinen Vorhaben wenigstens auch ein bisschen Glück hat.

Ein nicht zu unterschätzender Fakt ist, dass ehemalige Strafgefangene stigmatisiert werden, eine der Ursachen dafür, dass es bei Weitem nicht alle zurück in die Normalität schaffen. Es heißt, dass ungefähr die Hälfte aller ehemaligen Strafgefangenen innerhalb von neun Jahren nach ihrer Entlassung wieder straffällig werden.

Also keine allzu rosigen Aussichten für die Täter.

2. Die Opfer:

Und wie steht es um die Opfer?

Am Entlassungstag der Täter werden die Mädchen ungefähr 26, 27 Jahre alt sein. Junge Frauen, denen man wahrscheinlich nicht ansehen wird, dass es in ihre Kindheit jemanden gab, der sich verantwortungslos, rücksichtslos, egoistisch an ihnen vergangen hat.

Vielleicht sind die jungen Frauen verheiratet, haben kleine Kinder, vielleicht können sie eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen. Möglicherweise geht es ihnen recht gut, sie haben sich ein Leben aufgebaut, in der ihre kleine Familie, in der Geld verdienen und Spaß haben eine wichtige Rolle spielen.

Natürlich wünsche ich es ihnen, habe allerdings meine Zweifel. Denn bedauerlicherweise habe ich von allen Frauen, die mir ihre Missbrauchsgeschichte erzählten, erfahren müssen, dass ihre Jugendzeit und überhaupt alles, was nach dem Missbrauch kam, einfach nur schwierig war. Und oft war es sogar so schwierig, dass sie an ihrem ganzen Dasein immer wieder fast verzweifelt wären.

Anschauliche Beispiele dafür sind u. a. meine beiden Bücher „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“ und „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“. Einmal Opfer – immer Opfer – die Frauen befinden sich  bereits im Kindesalter in einem Dauerzustand der Hilflosigkeit, der Machtlosigkeit und Angst.

Diese Frauen leiden häufig zeit ihres Lebens an deutlichen Minderwertigkeitskomplexen. Langanhaltende psychische Störungen bestimmen ihre Tage. Posttraumatisches Belastungssyndrom, Depressionen, Essstörungen, Borderline – das alles sind für solche Frauen nicht nur irgendwelche Diagnosen, sie kennen sich zwangsläufig meist sehr gut damit aus.

Die Liebesbeziehungen solcher Personen sind fast immer stark beeinträchtigt, sexuelle Störungen sind an der Tagesordnung. Nicht selten ist diesen Frauen erst nach vielen Jahren, nach mehreren Therapien, mit der Hilfe eines überaus hilfreichen und verständnisvollen Partners ein halbwegs normales Leben möglich. Manche schaffen es nie.

Was sind 13,5 oder 14,5 Jahre Gefängnis gegen ein lebenslanges Gefangensein im eigenen Körper? Ein Leben, eingeschlossen in der eigenen gestörten Psyche?

Und trotzdem: Es ist wichtig für die Opfer, dass die Täter bestraft werden! Je früher man sie überführt – desto besser. Je mehr man ihnen aufbrummt – desto besser. Außerdem: In der Haft gilt seit eh und je und bis heute: Kinderficker haben dort keinen leichten Stand! Im Gegenteil! Und das ist auch gut so.

Übrigens gaben die Mütter beider Mädchen vor Gericht an, von all dem nichts gewusst zu haben.

Auch das ist typisch. Genauso haben es mir die Opfer jedes Mal erzählt. Was mich dann auch jedes Mal aufs Neue erstaunt und entsetzt hat.

Die Mütter haben nichts bemerkt, nichts gespürt, nichts gesehen, nichts befürchtet, nichts gehört, nichts gerochen, nichts gefühlt, nichts geahnt … Wirklich nichts? Zu keinem Zeitpunkt?

Wir alle sind andersartig, außergewöhnlich, individuell!

Ein kreatives Projekt gegen das „ganz normale“, alltägliche Verschweigen, Übersehen und Beschönigen

Seit ich Bücher zum Thema emotionale Gewalt in der Kindheit bei Amazon Kindle Direct Publishing veröffentliche, bin ich daran interessiert, Bloggerinnen und Blogger kennenzulernen, die sich dieser – zugegebenermaßen recht schwierigen und auch traurigen Problematik – annehmen, indem sie Rezensionsexemplare lesen und rezensieren.

In diesem Zusammenhang lernte ich Vanessa Popp kennen und schätzen, womit ich vor allem an ihre sachkundige und gründliche Art denke, die ihr überlassenen Bücher zu lesen und zu bewerten.

Vanessa betreibt mit ihrer Freundin Johanna das Blog Meine Buecherwelt.

https://meinebuecherwelt2017.blogspot.com

Und sie war es auch, die mich auf ein Projekt ihrer Freundin Sahra-Shaima Ponert aufmerksam machte.

Auf der Website www.firefly-art.de von Sahra-Shaima, die vor allem eine beachtliche Hobby-Fotografin ist, gibt es viel Kreatives zu entdecken und zu bewundern, doch ich möchte mich hier auf das Projekt Human after all beschränken.

Die Seite, auf der dieses Projekt vorgestellt wird, beginnt mit folgenden Sätzen:

„Jedes Leben ist geprägt von Höhen & Tiefen, von denen jeder von uns eine Menge zu erzählen hat.

Und wer macht sich dann nicht manchmal Gedanken über seine Vergangenheit und stößt dabei auf schmerzliche Erinnerungen oder unverarbeitete Gefühle? Wer hat nicht eine dunkle Seite, tief in seinem Innern, die geformt ist von Schmerz, Trauer, Enttäuschungen und Wut?“

Genau so ist es! Während meiner Arbeit mit Missbrauchsopfern erlebe ich immer wieder aufs Neue, das man von diesen Gefühlen förmlich überrollt, ja, nahezu überschwemmt wird. Und wenn ich an so manches tränenreiche Interview mit einem Missbrauchsopfer denke, so kann man das Überschwemmen beinahe wörtlich nehmen!

Im Firefly Art Projekt Human after all werden aktuell neun Personen vorgestellt, indem sie ihre Geschichte erzählen, die immer etwas Schlimmes, Enttäuschendes, Trauriges, Dunkles beinhaltet. Die Vorstellung wird durch ein Porträt vervollständigt.

Wir lesen u. a. von Ängsten und körperlichen Einschränkungen, von Schwächen, von Verlusten, Krankheiten und Suizidgedanken. Aber wir erfahren auch vom Mut, von der Gelassenheit, das Schicksal anzunehmen, von der Kraft, sein Los zu tragen und vom Glauben, dass alles einen Sinn hat, dass alles Unangenehme auch Gutes in sich birgt.

Ich kann allen, die sich für autobiografisches und/oder therapeutisches Schreiben, für das Aufarbeiten schwieriger Lebenserinnerungen ganz allgemein interessieren, nur empfehlen, sich die Schicksalsberichte des Projektes Human after all auf der Website www.firefly-art.de durchzulesen.

Ich jedenfalls finde die dort vorgestellten Geschichtenerzählerinnen und –erzähler und ihre Texte ausnahmslos interessant, aufschlussreich, mutig und sehr sympathisch.

Leseprobe aus „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“, Teil 2 zu „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“

Die Ich-Erzählerin Susanne K. lässt uns in nachfolgendem Textausschnitt an ihren Empfindungen und Gedanken teilhaben, die sie hatte, als sich ihr Stiefvater der Achtjährigen zum ersten Mal in einer verstörenden, nicht zu tolerierenden Weise näherte …

Ausschnitt aus dem 5. Kapitel:

… Helmut Hiller setzte sich auf die Bettkante, was mir nun doch recht bekannt vorkam. So hatte es damals beim Papa ja auch begonnen …

„So, Susi, nun wollen wir endlich mal damit anfangen, dafür zu sorgen, dass aus dir ein ordentliches junges Mädchen wird. Du bist zwar jetzt noch ein Kind, aber man kann damit nicht früh genug starten.“

Ich starrte ihn stumm an, denn mit dieser Bemerkung konnte ich wenig anfangen. Dass sich dahinter aber höchstwahrscheinlich nichts Gutes verbergen würde, konnte ich mir aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit meinem Vater und mittlerweile auch mit diesem Stiefvater schon denken.

Mein neuer Vater stand auf und zog mir die Bettdecke vom Körper. Ich lag auf dem Rücken und trug ein Nachthemd, das mir bis knapp über die Knie reichte.

„So, Susi“, wiederholte er mit seiner leisen, weich klingenden Stimme. „Und nun zieh mal das Hemd aus, jetzt will ich mal kontrollieren, ob du auch überall schön sauber bist.“ Er sah mich an. „Wenn deine Geschwister dabei sind, können wir das schließlich nicht erledigen. Das gehört sich nicht. Thommie und Manu sind ja doch noch recht klein. Aber du bist ja unsere Große, nicht wahr?“, meinte er gönnerhaft.

Ich sagte noch immer nichts, zog mir aber doch lieber rasch mein Hemd aus, Prügel wollte ich deswegen nicht riskieren.

„Sehr schön“, sagte mein Stiefvater sanft. „Und nun spreize mal deine Beine ganz weit auseinander. Ich muss nämlich nachsehen, ob du deine Muschi auch wirklich richtig gründlich gewaschen hast.“

Muschi wurde das Loch zwischen meinen Beinen genannt, mit dem pullerte ich. Frauen und Mädchen hatten eine Muschi, Männer und Jungen hatten einen Puller oder einen Piepel. Diese Begriffe hatte ich auf der Dorfstraße aufgeschnappt, meine Cousinen und Cousins redeten auch so. Zu Hause dagegen wurde eigentlich kaum über „so etwas“ gesprochen. Unsere Mutter bezeichnete das alles zum Beispiel stets nur als „untenrum“. Aber der Stief sprach so, wie ich es auch kannte.

Und nun wollte er also meine Muschi kontrollieren. Ich glaubte ihm kein Wort. Natürlich nicht. Helmut Hiller konnte ja nicht wissen, was sich in genau diesem kleinen Zimmer in exakt diesem Bett bisher schon alles ereignet hatte.

Wortlos spreizte ich meine Beine, und dann musste ich es mir gefallen lassen, dass mein neuer Vater mit seinen Fingern meine Muschi weiter öffnete, außen herumrieb und innen herumstocherte. Es war unangenehm, es kratzte, es drückte, es piekte, es tat auch weh, aber das alles war bei Weitem nicht so schlimm wie meine plötzliche Erkenntnis, dass ES offenbar nun schon wieder losging: dieses seltsame, dieses schreckliche, eigentlich unbeschreibliche ES! Dieses Ekelhafte, Grauenhafte, Schmerzhafte, das mir augenscheinlich immer wieder von irgendwelchen Männern angetan wurde: erst Papa, dann Herr Dressler und jetzt wohl auch der Stief.

Mein Stiefvater beschäftigte sich sehr ausführlich mit meinem Körper, nach der Muschi war der Hintern dran. Ich musste mich auf den Bauch legen, anschließend bohrte Helmuts Zeigefinger in meinem Po-Loch herum, als wenn eine solche Handlung die normalste Sache der Welt wäre. Dass ich hin und wieder unterdrückt „Aua!“ rief und irgendwann anfing, leise vor mich hin zu wimmern und unterdrückt zu schluchzen, schien ihn nicht weiter zu stören.

„Das wird schon noch“, sagte er bloß. Diesen Satz wiederholte er an diesem und an vielen anderen Abenden immer wieder. „Das wird schon noch!“ Der Satz begleitete sein widerliches Treiben in so mancher Nacht, die er in meinem Zimmer, in meinem Bett, war. Immer dann, wenn ich weinte, wenn ich ihn anflehte, aufzuhören, wenn ich ihn bat, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich unter heftigem Schluchzen hervorstieß, mir doch bitte nicht wehzutun, immer dann sagte er garantiert diese vier Worte: „Das wird schon noch.“

Manchmal, wenn ich die Augen schließe und mich darauf konzentriere, dann höre ich noch heute seine unerträglich sanfte, leise Stimme. Und ich rieche plötzlich auch sein Rasierwasser, ich mochte den Geruch bis zum Schluss nicht. Es stank irgendwie medizinisch, nach Kampfer, glaube ich. Das Zeug hieß „Pitralon“.

Dann spüre ich in Gedanken Helmut Hillers Hände auf meinem Körper, Hände, die meist kalt waren und oft unangenehm feucht. Und ich höre wie aus der Ferne wieder einmal diesen Satz: „Das wird schon noch!“ …