Interview mit Susanne K., der Protagonistin der beiden Bände der Missbrauchsgeschichte „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“ und „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“ (erscheint im Juni 2020)

 

Das vorliegende Interview fand zwischen Susanne K. und mir am 02. Mai 2020 statt. Es ist ein Gespräch über unsere Zusammenarbeit, sozusagen ein Interview über unsere Interviews!

Es ist also keines dieser Interviews, wie ich sie mit Susanne in Vorbereitung der Entstehung der beiden Bände „Kindheitshölle“ geführt habe. Die Namensgleichheit ist zufällig.

Es waren 28 Interviews und insgesamt rd. 110 Stunden, in denen mir Susanne K. ihr Leben erzählt hat, angeregt und geleitet durch meine Fragen und Bemerkungen. Zwischendurch haben wir aber auch einfach nur über Gott und die Welt geplaudert, manchmal mussten wir weinen, dann wieder haben wir rumgealbert und uns gegenseitig Textausschnitte und sogar Gedichte vorgelesen, die mit Susannes Erinnerungen im Zusammenhang standen. Außerdem haben wir literweise Cappuccino, Apfelsaft und Wasser getrunken.

Marie A. Böhm: Susanne, du hast mich im Mai 2018 zum ersten Mal angerufen, fast auf den Tag genau vor zwei Jahren, wie bist du überhaupt auf mich gekommen?

Susanne K.: Ich hatte ein Buch gelesen, dass du für eine Frau geschrieben und für sie bei Amazon veröffentlicht hattest. Im Impressum steht deine Website. Und da mich dieses Buch sehr interessiert hat, es geht um Missbrauch und Gewalt in der Kindheit dieser Frau, dachte ich, ich wende mich einfach mal an diese Adresse. Vielleicht kann man mir zumindest weiterhelfen. Denn ich wollte auch schon lange, dass meine Missbrauchsgeschichte aufgeschrieben wird. Ich hatte sogar schon selbst damit begonnen. Aber ich kam nicht so richtig klar. Bald habe ich dann gemerkt, dass ich das wohl nicht alleine schaffen würde.

Marie A. Böhm: Warum wolltest du eigentlich, dass deine schrecklichen Kindheitserlebnisse aufgeschrieben werden? Und hattest du von Anfang an geplant, deine Erinnerungen zu veröffentlichen?

Susanne K.: Im ersten Teil meiner Erinnerungen, also in der „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“, erzähle ich ja, dass ich wiederholt als Lügnerin abgestempelt wurde, wenn ich auch nur eine Winzigkeit verraten hatte von all diesen miesen Sachen, die mein Vater mit mir anstellte. Einmal wurde ich von ihm nach so einem „Verrat“ sogar dermaßen brutal zusammengeschlagen, dass ich einige Zeit nicht in die Schule gehen konnte und in meiner Kammer im Keller unseres Hauses versteckt gehalten werden musste. Denn natürlich wollten meine Eltern nicht, dass irgendjemand die vielen Blutergüsse und anderen Verletzungen an meinem Körper entdecken würde.

Später, wenn ich als Jugendliche oder als Erwachsene über meine Kindheitserlebnisse gesprochen habe oder auch nur im Ansatz sprechen wollte, wurde ich meist nur verständnislos angesehen. Wie oft musste ich Sätze hören wie „Warum hast du dir denn keine Hilfe geholt?“ oder „Du hättest doch damals einfach mal zur Polizei gehen können.“ oder „Warum hast du das alles nicht mal deiner Lehrerin erzählt?“

Ich muss sagen, die Leute haben überhaupt keine Ahnung! Was wissen die von der Scham, von der Angst, die ein misshandeltes Kind hat! Was wissen die von all den Lügen, mit denen man ein Kind erpressen und einschüchtern kann. In meinem immerhin schon ziemlich langen Leben habe ich sehr wenige Menschen getroffen, von denen ich den Eindruck haben durfte, dass sie mir meine Kindheitserlebnisse hundertprozentig geglaubt haben. Solche Ausnahmen sind mein jetziger Lebenspartner, die Psychotherapeutin, bei der ich jahrelang in Behandlung war – und nun auch du.

Und das wollte ich ändern. Zumindest hatte ich den Wunsch. Und ein Buch, dachte ich, könnte doch eine Lösung sein. Oder zumindest eine Hilfe. Ich wollte dieses Buch vor allem meiner Verwandtschaft zeigen – meinen Cousinen und Cousins. Denn die Menschen, die damals erwachsen waren, als ich ein Kind war, die sind ja jetzt überwiegend verstorben.

An eine Veröffentlichung dachte ich am Anfang nicht, denn ich hatte ja erst mal keine Ahnung, ob und wie so etwas funktionieren könnte.

Marie A. Böhm: Und was sagst du jetzt, wo Teil 1 der „Kindheitshölle“ bereits veröffentlicht ist?

Susanne K.: Es ist ein tolles Gefühl! Abgesehen davon, dass meine Familie schon sehr gespannt ist auf Teil 2 – und ich natürlich auch – finde ich es einerseits mächtig aufregend, meine eigenen Erlebnisse lesen zu können, andererseits ist es aber auch irgendwie befreiend, ja, richtig wohltuend. Denn bisher lagen die einzelnen Episoden ja über viele Jahrzehnte sozusagen unsortiert in meinem Kopf. Ich wusste oft nicht, wann dies passiert war und wann das. Die eigene Erinnerung kann einem ja hin und wieder einen Streich spielen. Man glaubt, dass es genau so war, aber dann stellt man fest, dass es anders gewesen sein muss, weil es sonst nicht zu dem Übrigen passt. Jetzt bin ich in der glücklichen Lage, meine Kindheit und einen großen Teil meiner Jugend gut sortiert vor mir zu sehen, ich kann nun alles hübsch ordentlich, also chronologisch betrachten und bewerten. Für mich ist das ganz wunderbar, ich empfinde es als Erleichterung, nicht immer wieder aufs Neue grübeln zu müssen, wie sich denn dies und das nun tatsächlich abgespielt haben könnte.

Marie A. Böhm: Wie waren denn bisher die Reaktionen deiner Verwandtschaft auf deine Aufzeichnungen über den sexuellen Missbrauch in deiner Familie?

Susanne K.: Die fielen ziemlich gemischt aus. Mein Bruder, der in den Erinnerungen Thomas heißt, war tief erschüttert. Er hatte wohl manches geahnt, aber er war viel zu klein, um sich damals ein richtiges Bild von all dem Grauen machen zu können. Meine Schwester dagegen findet es unpassend und richtig schlimm, dass ich mit dieser Angelegenheit an die Öffentlichkeit gegangen bin. Wir sind deshalb zwar nicht zerstritten, aber wir führen häufig Auseinandersetzungen über die Sache. Doch ich habe die Hoffnung, dass sie ihre Meinung vielleicht mal ändert. Meine Zwillingsbrüder scheinen sich nicht so besonders für all das zu interessieren. Das wäre ja alles schon so lange her, heißt es. Der Vater sei tot, der Stiefvater sei tot, man könne niemanden mehr zur Verantwortung ziehen. Und deshalb könne man das Ganze eigentlich auch auf sich beruhen lassen. So ähnlich denkt auch einer meiner Cousins. Und die eine Cousine spricht kein Wort mehr mit mir, seit sie die Kindheitshölle Teil 1 gelesen hat. Aber insgesamt finde ich doch, dass die positiven Reaktionen überwiegen. Die kommen aber meist aus meinem unmittelbaren Umfeld.

Marie A. Böhm: Was war eigentlich das schrecklichste Erlebnis, das du während des Entstehungsprozesses deines Erinnerungsbuches hattest?

Susanne K.: Das war definitiv der Tag, an dem ich dir mein erstes Missbrauchserlebnis mit meinem Vater erzählt habe, also das Ereignis, mit dem alles begann. Das fand ich richtig schlimm, ich weiß noch, dass ich mich sogar total geschämt habe. Aber von da ging es leichter und leichter, das hätte ich nicht gedacht.

Marie A. Böhm: Und was war der schönste Moment?

Susanne K.: Davon gab es einige! Aber der schönste war wohl der Nachmittag, an dem ich dir erzählt habe, wie ich heute lebe. Vor allem durch deine Fragen, durch dein Nachhaken, wurde mir so richtig bewusst, dass diese perversen Kerle vielleicht meine Kindheit kaputt gemacht haben, aber letztendlich mich selbst offensichtlich doch nicht vollkommen zerstören konnten. Obwohl es durchaus Zeiten gab, an denen ich solche Gedanken hatte. Doch an diesem Nachmittag freute ich mich einfach, dass ich trotz allem ein recht zufriedenes Leben führen darf, dass ich frei bin, und dass ich geliebt werde. Darüber macht man sich ja sonst eher nicht so konkret Gedanken. Aber als ich nach diesem Interview nach Hause fuhr, da hätte ich in der S-Bahn fast laut gelacht vor Glück, und hätte mir sogar vorstellen können, vor Freude irgendwelche fremden Menschen zu umarmen! Aber natürlich habe ich mich zusammengenommen, ich habe einfach auf mein Smartphone geglotzt und dabei pausenlos vor mich hingelächelt. Es war wunderbar! Ich war aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Und in meinem Kopf tauchte immerzu ein Satz auf: Es ist vorbei! Damit war so viel gemeint: die Interviews mit dir, mein Anteil der Arbeit am Buch, meine beschissene Kindheit, die fiesen Übergriffe der Männer, der Ekel, die Angst …

Ich fühlte mich richtig befreit. Und ich war unbeschreiblich glücklich, echt, ich war so was von glücklich, das hätte ich nicht für möglich gehalten …

Marie A. Böhm: Das klingt fantastisch! Ich freue mich mit dir und für dich. Und nun kommt ja bald Teil 2 deiner Kindheitserinnerungen bei Amazon raus: „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“. Es bleibt spannend!

Making-of „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“ und „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“

Warum es viele Monate dauert, bis ein auf traumatischen Erinnerungen basierender Schicksalsbericht fertiggestellt ist …

Zurzeit schreibe ich an Teil 2 der Kindheitserinnerungen von Susanne K., die den Titel „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“ tragen werden. Bei der Gelegenheit muss ich natürlich immer mal wieder auf den bereits veröffentlichten Teil 1 blicken und damit auch auf den monatelangen Entstehungsprozess der beiden Bände der Kindheitshölle.

Susanne K. meldete sich im Mai 2018 bei mir. 1954 in der DDR geboren, hatte sie einige Monate zuvor ihren 64. Geburtstag gefeiert. Und nun wollte sie mir ihre Geschichte erzählen, die Geschichte eines sexuellen Missbrauchs in ihrer Kindheit. Als Täter benannte sie drei Männer. In den ersten Jahren war es ihr Vater sowie ein Dorfbewohner, und später war es ihr Stiefvater.

„An meinem 65. Geburtstag möchte ich gern meine Kindheitserinnerungen als Buch in den Händen halten“, meinte Frau K. im Verlauf unserer ersten Begegnung und sah mich erwartungsvoll an.

Verstanden habe ich ihren Wunsch schon. Aber versprechen konnte ich ihr nicht, dass ich das schaffen würde.

Zum einen schrieb ich zu dieser Zeit gerade an meinen eigenen traumatischen Kindheitserinnerungen. Mein Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ habe ich im Frühjahr 2019 abschließend können, es erschien im Mai bei Amazon KDP als E-Book.

Parallel dazu beschäftigte ich mich bereits über einen längeren Zeitraum mit verschiedenen anderen Interviews sowie den dazugehörigen ersten Textentwürfen, die ausnahmslos die Themen Missbrauch, Gewalt und emotionale Vernachlässigung in der Kindheit zum Inhalt hatten. Die Arbeiten dazu konnte ich übrigens aufgrund der Fülle des Stoffs bis heute nicht abschließen. Es wird somit in den nächsten Jahren noch andere dramatische Lebensberichte weiblicher Missbrauchsopfer von mir geben.

Doch zurück zu meiner ersten Begegnung mit Susanne K.: Aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen beim Aufzeichnen von Autobiografien im Auftrag von Privatpersonen, wusste ich, dass vom ersten Informationsgespräch bis zur Übergabe des gedruckten Buches viele Monate vergehen können. Mitunter arbeitet man ein ganzes Jahr an so einem umfangreichen und anspruchsvollen Text.

Vom ersten Interview mit einer Gesprächspartnerin bis zur Vorlage des fertigen Manuskriptes vergehen mindestens sechs und häufig auch bis zwölf Monate.

Den Ablauf der Entstehung eines solchen Werkes könnte man in folgenden Schritten aufzeigen:

Für die Interviews plane ich ungefähr 30 Stunden ein. Manchmal sind es weniger, deutlich mehr waren es bisher noch nicht. Über welchen Zeitraum sich diese Interviews erstrecken, hängt vor allem davon ab, wie lange sich meine Gesprächspartnerin am Stück konzentrieren kann.

Kann man damit rechnen, dass wir drei, vier oder sogar fünf Stunden hintereinander Erinnerungsarbeit leisten können? Oder geraten wir bereits nach zwei Stunden, vielleicht sogar noch früher regelmäßig an Grenzen?

Wie sicher ist meine Interviewpartnerin darin, ihre dramatischen Kindheitserlebnisse wiederzugeben?

Kann sie diese bereits chronologisch aufzeichnen oder muss das Ganze noch strukturiert werden?

Wie ist ihr Erinnerungsvermögen einzuschätzen? Benötigt sie häufiger Hilfestellungen? Muss ihre Erinnerungsleistung aktiviert werden? Oder sprudeln die Episoden nur so aus ihr heraus?

Gibt es wiederholt Gedächtnislücken, sachliche Unklarheiten, Unverständliches oder so stark Verdrängtes, dass das Erzählen schwerfällt, eventuell sogar massiv ins Stocken gerät?

All das – und vieles mehr – sind Faktoren, die es erst mal herauszufinden und während der Gespräche entsprechend zu berücksichtigen gilt.

Es ist wahrhaftig nicht einfach, nach sexuellem Missbrauch ein erfülltes, ein „normales“ Leben zu führen. Aber es kann durchaus auch schon sehr schwierig sein, über diese schlimmen Erfahrungen lediglich zu sprechen.

Ich verrate hier bestimmt kein Geheimnis, wenn ich sage, dass bisher fast jedes Interview mit einer Gesprächspartnerin, die über Missbrauch und Gewalt in der Kindheit zu berichten hatte, recht tränenreich verlief und immer wieder durch Pausen unterbrochen werden musste.

Oft war es auch so, dass wir uns erst Wochen später erneut trafen, da sich die Betreffende längere Zeit psychisch nicht in der Verfassung sah, das Projekt fortzuführen.

Selbstverständlich bin ich darauf vorbereitet, dass solche Interviews problematisch ablaufen können und besondere Vorgehensweisen erfordern. Das Erarbeiten sogenannter Problembiografien ist Bestandteil einer Biografenausbildung. Ich habe mich darüber hinaus sowohl im Selbststudium als auch mithilfe einer befreundeten Psychologin weitergebildet – und das ist bis heute so. Die ausgiebige Beschäftigung mit Themen wie sexueller Missbrauch und Gewalt in der Kindheit gehört mittlerweile zu meinem täglichen Arbeitspensum. Wobei die einschlägige Literatur, die ich mir dazu besorgt habe, inzwischen fast drei laufende Meter Bücherregal füllt.

Wenn die Interviews abgeschlossen sind, beginnen die eigentlichen Schreibarbeiten.

Auf der Grundlage der Interviews, meiner schriftlichen Aufzeichnungen und oft auch zusätzlicher sachbezogener Recherchen schreibe ich den ersten Entwurf des Textes. Dieser wird anschließend mehrmals überarbeitet. Während der Überarbeitungen machen sich fast immer noch klärende Rücksprachen mit der Auftraggeberin erforderlich, bis endlich die Übergabe des fertigen Entwurfes erfolgt. Nun wird das Manuskript von der Auftraggeberin gelesen und geprüft. Gibt es Fragen, Ergänzungen, Streichungen, Änderungswünsche? All das wird von mir eingearbeitet und das Ganze danach erneut gründlich überarbeitet.

Jetzt ist es an der Zeit, das Manuskript einer Kollegin zu übergeben, die als Testleserin fungiert. Meine Testleserin arbeitet selbst als freie Autorin, Co-Autorin, Herausgeberin und Biografin.

Ihre Aufgabe ist es, herauszufinden, wo der Text eventuell noch schwächelt. Habe ich irgendetwas unverständlich erzählt, zu langatmig, zu knapp? An welcher Stelle könnte man noch etwas verbessern, etwas ergänzen, einen Abschnitt einfügen oder einen anderen vielleicht sogar ersatzlos streichen?

Dieser Arbeitsschritt ist nicht mit einem Lektorat gleichzusetzen. Aber er ist absolut gewinnbringend, da nach einer längeren Phase der intensiven Beschäftigung mit einem Text einer Autorin die objektive Betrachtung desselben abhanden kommen kann. Doch der „fremde Blick“ einer Kollegin kann und sollte nun die gedankliche Geschlossenheit des Textes, seine Verständlichkeit und vielleicht sogar seine spätere Wirkung auf die Leserschaft testen.

Die Hinweise meiner Kollegin werden anschließend ebenfalls eingearbeitet, letzte Arbeitsschritte sind danach das Lektorat und das Korrektorat.

Genauso passierte es mit Teil 1 der Kindheitshölle; im Mai 2019 haben wir mit den Interviews begonnen, das Buch „Kindheitshölle: Vom Vater verprügelt und missbraucht“ erschien im Dezember des gleichen Jahres.

Im Januar wurden die Interviews mit Frau K. für Teil 2 fortgesetzt; aktuell befinde ich mich in einer der letzten Überarbeitungsphasen für „Kindheitshölle: Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“. Es gibt noch immer einigen Klärungsbedarf mit Susanne K., aber ich gehe davon aus, dass das Buch im Juni bei Amazon KDP hochgeladen werden kann.

Am Ziel: Die Kindheitshölle von Susanne K. wird ein Buch!

Und damit ist erreicht, dass ich Frau Susanne K. zumindest kurz nach ihrem 66. Geburtstag die fertiggestellten Erinnerungen komplett übergeben werde. Wobei der Verkaufserfolg von Teil 1 und vor allem auch das große Interesse der Leserschaft, das darüber hinaus über Kindle Unlimited bekundet wurde, Susanne K. auch schon sehr gefreut haben.

Aber richtig stolz ist sie auf die positiven Rezensionen und das vor allem deshalb, weil in diesen Wortmeldungen wiederholt großes Verständnis und aufrichtige Anteilnahme der Leserinnen und Leser für das Schicksal der Frau K. zum Ausdruck gebracht wurden. Ich weiß, dieser Zuspruch hat ihr sehr gutgetan.

Mit Eintritt in ihren Ruhestand kann Frau K. nun also sagen, dass sie ihre traurigen Kindheitserlebnisse zu Papier gebracht und damit „schwarz auf weiß“ der Nachwelt erhalten hat.

O-Ton Susanne K.:

„Ich kann dieses Buch im Schrank verschließen, ich kann aber auch zu jeder Zeit darin lesen, wenn ich das möchte. Ich kann das Buch jemandem in die Hand geben und ihm sagen: ‚Sieh her, so war das damals.‘ Und ich könnte es sogar feierlich verbrennen, wenn es mir damit besser gehen würde!

Dass die Geschichte meines Missbrauchs jetzt schriftlich existiert, ist wie ein Beweisstück. Es ist sozusagen ein Indiz dafür, dass das alles wirklich passiert ist. Ja, ich wurde missbraucht! Und ich habe eine Stimme, die das sagen kann! Ich habe die Sicherheit und den Mut, es auszusprechen. Denn ich weiß, dass man mich jetzt hört. Und das tut verdammt gut.“

Zu meinem bei Amazon KDP veröffentlichten Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“

Warum ich in den Fünfzigerjahren im St. Josefsheim in Birkenwerder – einem katholischen Kinderheim – abgegeben wurde

Wenn ich mir heute den Buchmarkt oder auch das TV-Programm anschaue, stoße ich recht häufig auf die Fünfzigerjahre. Nicht wenige Filme und noch mehr Romane lassen den Eindruck entstehen, dass es bunte, spannende, wunderschöne Jahre gewesen sein müssen, diese wilden Fünfziger, damals, so kurz nach dem Krieg.

Es gab den verrückten Rock ’n‘ Roll im weit schwingenden Tellerrock, und in den Wohnzimmern standen Nierentische und Stehlampen mit Schirmen, die wie Tüten aussahen und deshalb auch so bezeichnet wurden. Junge Mädchen hießen nicht mehr Backfische, sondern von nun an Teenager. Der Pferdeschwanz war eine hochmoderne Frisur. Und Jeans bezeichnete man ausdrücklich als Bluejeans, denn es gab sie tatsächlich nur in der Farbe Blau.

Cornelia Froboess war noch „Die kleine Cornelia“ und sang „Pack die Badehose ein!“, bevor sie später „Conny“ wurde.

Es gab Westberlin und Ostberlin sowie „die Zone“, womit die im Oktober 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik, die DDR, gemeint war.

Meine Eltern und ich lebten in der „Zone“, der sowjetischen Besatzungszone (SBZ).

Wir bewohnten ein kleines Haus, das in einem großen Garten stand, nicht allzu weit entfernt von Berlin, mit der S-Bahn war man in ungefähr zwei Stunden dort.

Ich habe die Fünfzigerjahre ganz bewusst erlebt, und tatsächlich waren sie auch für mich meist bunt und aufregend, aber sind das Kinderjahre – auch schlimme – eigentlich nicht immer?

Mein Vater wollte sich Mitte der Fünfzigerjahre selbstständig machen, dazu wurde Geld benötigt. Meine Eltern hatten zeit ihres Lebens eine große Abneigung gegen Bankkredite, also bewarb sich meine Mutter bei der Deutschen Reichbahn in Ost-Berlin als Stenotypistin. Denn in Berlin wurden zum Teil erheblich höhere Löhne und Gehälter gezahlt als in der DDR. Auch mein Vater nahm eine Arbeit in Ostberlin auf. Das bedeutete, dass beide sehr früh das Haus verlassen mussten, um pünktlich am Arbeitsort zu sein. Und nun wusste man offenbar nicht, wohin mit mir. In der Umgebung gab es keine Einrichtungen mit freien Plätzen, wo man mich morgens abgeben und abends hätte abholen können. Die einzige Möglichkeit meiner „Aufbewahrung“war angeblich das St. Josefsheim in Birkenwerder bei Berlin – ein katholisches Kinderheim und Waisenhaus.

Tatsächlich fuhr meine Mutter eines Tages mit mir in dieses Nonnenkloster und lieferte mich – die Vierjährige – dort ab, mich, einen kleinen Koffer mit Kleidung und meine Puppe. Dieses für mich so einschneidende Erlebnis beschreibe ich ausführlich in meinem Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“.

Ich fühlte mich, als wenn man mich auf einer einsamen Insel ausgesetzt hätte.

Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich von meinen Eltern getrennt war und den Grund dafür nicht kannte. Bisher hatte man mich stets nur bei Verwandten oder Nachbarn abgegeben, wenn meine Mutter zum Beispiel krank war. Oder wenn ich die Verwandten für eine Weile einfach nur besuchen sollte. Solche Besuche hatten mir eigentlich immer gefallen, am liebsten war ich beim Großvater oder bei der Urgroßmutter, die beide in Westberlin wohnten. Meist blieb ich eine Woche dort, selten länger, es sei denn, ich wurde dort krank, was schon mal vorkommen konnte. Ich habe einige der bekannten Kinderkrankheiten in Westberlin bekommen und dort auskuriert.

Doch in diesem St. Josefsheim schien ich festzusitzen, ein Ende meines „Besuches“ war offenbar nicht in Sicht. Ich hatte keine Ahnung, wann man mich aus diesem düsteren Haus wieder rausholen würde. Manchmal dachte ich sogar, dass dies womöglich niemals der Fall sein könnte. Worin mich andere Kinder, die schon länger in diesem Waisenheim lebten, noch bestärkten.

Ich erinnere mich noch heute genau, dass ich mich in diesem Nonnenkloster unendlich einsam und unglücklich fühlte. Und dass ich oft darüber nachdachte, ob mich meine Eltern vielleicht gar nicht mehr wollten, weil ich sie verärgert hatte. Denn ich war ein Suppenkaspar, ein schlechter Esser, eine Mäkelsuse. Und mir war klar, dass meine Eltern sich dadurch genervt fühlten.

Die Nonnen praktizierten die sogenannte „schwarze Pädagogik“.

Als wenn Heimweh, Einsamkeit und all die Unklarheiten nicht bereits genügt hätten, meinen Aufenthalt im Waisenhaus zu einem Martyrium werden zu lassen. Aber es kam noch die grausame „Erziehungsarbeit“ der Nonnen hinzu, welche von diesen Frauen offenbar als „pädagogisch wertvoll“ angesehen wurde, denn warum sonst haben sie ihre Bestrafungen genau so und nicht anders ausgeführt?

Es gab Prügel, man wurde eingesperrt, man musste Ewigkeiten auf den Knien ausharren, stundenlang laut oder auch schweigend beten, es gab Essensentzug als Strafe, aber es konnte einem die Nahrung auch gewaltsam eingetrichtert werden, wenn man das Essen verweigerte. Kleinere Strafen waren Ohrfeigen und sogenannte Katzenköpfe. Ein lustiges Wort, aber was ist das? Man ballt die Hand zur Faust, und dann schlägt man mit den Fingerknöcheln einem Kind hart auf den Kopf.

Ich erinnere mich an ein kleines Mädchen, das versuchte, so einem Faustschlag auszuweichen. Sie stolperte und fiel so unglücklich aufs Gesicht, dass ein halber Schneidezahn abgeschlagen wurde. Für uns Kinder war das eine Sensation. Dass einem die Milchzähne ausfielen, das kannten wir ja alle zur Genüge, aber ein Mädchen mit einem halben Zahn vorn, das war neu und besonders. Ich weiß nicht, was die „barmherzigen Schwestern“ zu diesem Unfall meinten, ich weiß aber noch, dass dieses Mädchen viele Monate später, als ich endlich das Waisenhaus verlassen durfte, noch immer mit seinem halben Zahn herumlief.

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, über all die Strafen und Quälereien der Nonnen im Detail zu berichten. Das Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ widmet allein diesem Thema mehrere Kapitel.

Kinder störten die Erwachsenen damals beim Wiederaufbau des Landes. Alle Kinder?

Heute denke ich übrigens, dass die Fünfzigerjahre wirklich eine gute Zeit waren. Der Krieg war vorbei, die Menschen waren voller Hoffnung. Neues entstand aus Ruinen, man wurde wieder satt, man kaufte hübsche Kleider und ging zur Dauerwelle.

Elke Heidenreich, von mir sehr geschätzte Bestsellerautorin und Literaturkritikerin, hat mal gesagt, dass in den Fünfzigerjahren die Kinder meist nur im Weg waren. Sie waren lästig, denn der Aufbau, dieses „Wir sind wieder wer!“ und „Wir wollen uns wieder was schaffen!“ kostete die Erwachsenen viel Zeit und Kraft und Geld und Nerven. Kinder störten da nur. Elke Heidenreich hat dies als Kind am eigenen Leib erfahren müssen. Ich auch. Und viele andere Kinder. Aber eben nicht alle. Schließlich wurde nicht der gesamte Nachwuchs in Heimen abgeliefert. Umso bitterer war es für die, die dort landeten.

Und so wurde ich kurz nach meinem 4. Geburtstag im Waisenhaus abgeliefert.

Ich störte offenbar. Und genau das habe ich auch gespürt. Und genau deswegen musste ich ins Heim. Ich, das einzige Kind einer ganz normalen Familie, ohne Not, ohne Krankheiten, eine durchschnittliche Familie ohne irgendwelche erwähnenswerten Besonderheiten. Ich musste also weg, damit man etwas schaffen, etwas anschaffen konnte. Zum Wohle der Familie und damit ja letztendlich auch zum Wohle des Kindes. So dachte man damals, und so geschah es.

Auf die Frage „Geld oder Liebe?“ entschieden sich meine Eltern somit für das Geld.

Der lange Weg zu meinem Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“

Von der Schwierigkeit, traumatische Kindheitserlebnisse aufzuschreiben, und warum man es trotzdem machen sollte

Nachdem ich im Auftrag von Frau S. einen umfangreichen Erlebnisbericht über ihren jahrelangen sexuellen Missbrauch in der Kindheit verfasst und bei Amazon veröffentlicht hatte, meldeten sich anschließend für mich völlig überraschend weitere Frauen bei mir, die ebenfalls Opfer sexueller Übergriffe und anderer seelischer und körperlicher Gewalttaten waren. Nach vielen Interviews und Gesprächen mit diesen Frauen reifte in mir der Gedanke, mein persönliches Schicksal, meine eigenen Kindheitserinnerungen ebenfalls aufzuschreiben und ein Buch daraus zu machen.

Ich wurde im Alter von vier Jahren in einem katholischen Waisenhaus abgegeben, wo ich knapp zwei Jahre bleiben musste. Durch die gewalttätige Behandlung der Nonnen einerseits und die Tatsache andererseits, dass mich dieser unfreiwillige Aufenthalt dort total verunsichert hatte, was das Verhältnis zu meiner Familie anbetraf, nahm meine kindliche Psyche Schaden. Zeit meines Lebens litt ich unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom mit verschiedenen Auswirkungen. Auch darauf gehe ich in meinem Memoir „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ ausführlich ein.

Erst durch eine viele Monate andauernde Psychotherapie im Erwachsenenalter gelang es mir, meinem Alltag endlich die für ein zufriedenes Leben erforderliche Normalität zu geben. Es war ein anstrengender Prozess, den ich Betroffenen dennoch ausdrücklich empfehlen möchte, auch wenn ich mir darüber im Klaren bin, dass nicht jede Patientin mit ihrer Therapeutin so ein Glück haben dürfte, wie es mir vergönnt war. Und ich habe auch schon häufig gehört, dass so manche Therapie das erwünschte Ergebnis leider nicht gebracht hat. Und trotzdem: Man sollte es wenigstens versuchen! Ich denke, man kann gewinnen, auch wenn ein Sieg nicht garantiert ist. Doch wenn man es gar nicht erst versucht, dann hat man eigentlich schon verloren.

Doch zurück zu meinem Schicksalsbericht …

Ich war fest entschlossen, meine belastenden Kindheitserlebnisse endlich aufzuschreiben.

Nachdem ich mich entschlossen hatte, meine belastenden Kindheitserlebnisse in eine schriftliche Form bis hin zum E-Book zu bringen, begann ich mit dem Erinnern, dem Recherchieren, dem Sammeln und Sortieren aller Ergebnisse, dem Ordnen und Strukturieren und endlich auch dem Aufschreiben meiner Erinnerungen.

Es war schwieriger, als ich es erwartet hatte. Das hätte ich nicht gedacht, zumal ich ja selbst mittlerweile seit knapp zehn Jahren autobiografisches Schreiben unterrichte. Außerdem hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits 19 teils sehr umfangreiche biografische Texte im Auftrag von Privatpersonen verfasst. Und nun, in meinem 20. Text, sozusagen meinem Jubiläumsmemoir, sollte es doch nur um mein eigenes Leben gehen! Ich musste keine stundenlangen Interviews führen, keine Nachfragen stellen, keine fremden Unterlagen mit möglicherweise sogar schwer lesbaren Handschriften sichten und auch nicht –zig Fotos begutachten, um eine geeignete Auswahl treffen zu können. Ich musste kein fremdes Leben schriftlich fixieren, strukturieren, lektorieren, es sollten doch lediglich ein paar Jahre meiner Kindheit näher beleuchtet werden. Das Ganze würde somit bestimmt nicht besonders schwierig sein, das hatte ich mir zumindest so vorgestellt. Doch das sollte sich als Irrtum herausstellen.

Zwar konnte ich bald feststellen, dass ich mich außerordentlich gut an alles erinnern konnte, sogar Details fielen mir wieder ein, die ich offenbar viele Jahre verdrängt hatte. Auch bereitete es mir keine Schwierigkeiten, das Ganze chronologisch aufzubauen und verständlich zu erzählen, schließlich hatte ich ja bereits über viele Jahre Erfahrungen mit den unterschiedlichsten biografischen Texten gemacht.

Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein kann, seine eigenen traurigen Kinderjahre als Erwachsene reflektieren zu müssen.

Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass mich meine Kindheitserlebnisse, die schließlich Jahrzehnte zurücklagen, dermaßen berühren und aus dem seelischen Gleichgewicht bringen würden. Immer wieder musste ich eine Schreibpause einlegen. Und ich musste mich oft richtiggehend zwingen, mich stets aufs Neue an den Computer zu setzen und weiter zu schreiben, nicht aufzugeben.

Als ich endlich die Kinderzeit, die ich im katholischen Waisenheim verbracht hatte, so lückenlos, wie es mir möglich war, aufgezeichnet hatte, musste ich den Text erneut zur Seite legen – und dieses Mal sogar für einen längeren Zeitraum. Denn nun wollte ich ja die Folgen aufzeichnen, die Folgen des Klosteraufenthaltes für mein Leben als Jugendliche, als erwachsene Frau. Denn die vielen Monate im St. Josefsheim Birkenwerder und auch die nachfolgende Zeit mit zahlreichen autoritären Einflüssen, mit Gedankenlosigkeiten, herzlosen Oberflächlichkeiten haben mich schwer traumatisiert, schwerer, als ich es je zuvor hatte wahrhaben wollen. Ich hatte viele schwarze Flecken auf der Seele, ich funktionierte nicht so, wie es sich die Menschen in meiner Umgebung so vorstellten, und wie ich es selbst von mir erwartet hatte.

Und nun fand ich es schwierig, all das aufzuschreiben, was sich im Nachhinein als Scheitern, als vergebliches Versuchen, als schmerzhaftes Hinfallen und schwerfallendes Wiederaufstehen zeigte.

Eigene traumatische Erlebnisse aufzuschreiben, ist nicht unbedingt einfach, aber es ist sehr lohnenswert.

Ich kann es nur jedem ans Herz legen, sich erzählend mit seinen ganz persönlichen düsteren Jahren zu beschäftigen. Schreiben hilft, auch und besonders bei traumatischen Erlebnissen, aber man muss es selbst wollen! Hören Sie nicht auf sicher gut gemeinte Ratschläge, wenn Sie selbst das Gefühl haben, nicht wirklich dazu bereit zu sein. Lassen Sie sich nicht drängen, Sie müssen den Impuls zum Erinnern- und Erzählenwollen selbst spüren!

Es ist nicht leicht, aber es kann sehr hilfreich sein. Ich habe den Schreibprozess als reinigend, als Ordnung schaffend empfunden. Und als ich das letzte traurige Kapitel abgeschlossen hatte, hatte ich einen freundlicheren und zufriedeneren Blick auf mein Hier und Heute. So habe ich es erlebt. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich viel eher schreibend um meine Vergangenheit gekümmert. Doch nun, wo ich weiß, wo ich erfahren habe, wie stark es hilft, Schlimmes, Grausames, Trauriges aus der eigenen Vergangenheit aufzuschreiben, zu ordnen und zu reflektieren, nun werde ich wohl auch noch andere schwierige Zeitabschnitte meines vergangenen Lebens erzählend näher beleuchten wollen.

Über das Bestseller-Ranking meines E-Books „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ freue ich mich natürlich sehr!

Doch jetzt bin ich erst mal stolz, dass ich es schon mal geschafft habe, mein Buch „Klosterkind: Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ abschließen zu können. Und ich bin auch nicht wenig stolz darauf, dass dieses E-Book seit Juni 2019 ohne Unterbrechung eine Spitzenposition in Amazons Bestseller-Kategorie Frauenbiografien einnimmt. Viele Monate war es sogar Bestseller Nummer 1. Und das alles, ohne dass ich bisher irgendeine preisliche Marketingmaßnahme starten musste. Denn das E-Book ist nach wie vor für 4,99 € erhältlich, aber man kann es natürlich auch kostenfrei über Kindle Unlimited lesen, wovon die Leserschaft sehr regen Gebrauch macht.

Sollte ich das „Klosterkind“ vorübergehend zu einem günstigeren Sonderpreis vermarkten, so werden es meine Blog-Besucher natürlich als Erste erfahren. Schauen Sie also vorsichtshalber immer mal hier rein!

Marie A. Böhm schreibt …

Im Mai 2019 habe ich als Marie A. Böhm mein erstes Buch veröffentlicht: „Klosterkind. Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“.

Im Dezember 2019 kam mein zweites Buch bei Amazon Kindle Direct Publishing (KDP) heraus: „Kindheitshölle. Vom Vater verprügelt und missbraucht“.

Zurzeit arbeite ich an der Fortsetzung der Kindheitshölle. Teil 2 trägt den Titel „Kindheitshölle. Vom Stiefvater verprügelt und missbraucht“.

Und nun gibt es hier auch endlich eine Website mit Blog. Weil ich seit dem Erscheinen meiner beiden Bücher von Bloggerinnen und Leserinnen gebeten wurde, doch auch mal von meiner bisherigen Autorinnentätigkeit zu berichten, will ich den Blog damit eröffnen. Vor allem wollte man wissen, wie ich dazu gekommen bin, ausgerechnet solche traurigen Schicksale zu erzählen, wie sie in den Büchern „Klosterkind“ und „Kindheitshölle“ beschrieben werden.

Wer bin ich?

Nach Abitur, Ausbildung (Kauffrau) und Studium (Rechtswissenschaften), dem sich verschiedene berufliche Stationen in der Verwaltung anschlossen, arbeite ich seit 1995 als freie Autorin. Später kamen Tätigkeiten als Ghostwriterin und Biografin dazu. Und noch später begann ich zusätzlich als Lektorin und Schreibcoach zu arbeiten. So leite ich z. B. Kurse zum Schreiben und Veröffentlichen in Volkshochschulen, Frauentreffpunkten und Freizeitbegegnungsstätten.

2009 beendete ich eine Ausbildung zur Poesiepädagogin, und im Herbst 2020 werde ich (hoffentlich) mein Abschlusszeugnis als Schreibtherapeutin in Empfang nehmen können.

Ich lebe mit Mann und Katze in Berlin und liebe alles, was mit dem Schreiben und Lesen, also irgendwie mit Texten und Büchern zusammenhängt. Arbeitszeit und Freizeit vermischen sich ständig bei mir. Außerdem interessiere ich mich für Kino und Theater und treibe ein bisschen Sport (Aqua Fitness, Qigong).

Marie A. Böhm ist ein Pseudonym.

Marie hieß meine Urgroßmutter väterlicherseits. Hier sieht man sie mit ihrem einzigen Kind, meinem späteren Großvater Gustav.

A. steht für Anna, so hieß meine Urgroßmutter mütterlicherseits.

Den Familiennamen Böhm hätte meine Urgroßmutter Marie gern getragen. Das ist zumindest so überliefert. Denn sie wollte Herrn Böhm, der mit Vornamen ausgerechnet Adolf hieß, heiraten. Doch meine Uroma war für die Familie Böhm leider das, was man damals als „nicht standesgemäß“ bezeichnete. Sie war nur ein armes Dienstmädchen ohne Mitgift und Aussteuer. Dagegen war Adolf Böhm der Sohn eines recht begüterten Landwirtes, der zugleich das geachtete Amt des Bezirksschornsteinfegermeisters bekleidete. Mein Urgroßvater musste ein anderes Mädchen heiraten, eines, das Geld und etliche Hektar Ackerland in die Ehe mitbrachte.

Meine Urgroßmutter Marie blieb zeit ihres Lebens ledig und hat ihren Gustav allein großgezogen. Allerdings hat sich Adolf Böhm um seinen Sohn und später sogar um dessen Kinder gekümmert. Mein Vater erinnerte sich gern an seine Aufenthalte auf dem Bauernhof seines Großvaters. So ein ausgeprägtes Brutpflegeverhalten war für einen unverehelichten Kindsvater in der damaligen Zeit eher unüblich. Der Grund dafür könnte jedoch nicht nur darin zu suchen sein, dass Adolf Böhm eine moralische Verpflichtung gefühlt haben könnte. Vielleicht war es stattdessen eher so, dass er sich für seinen außerehelich geborenen Jungen und dessen Nachkommen so sehr interessierte, weil seine Ehefrau keine Kinder bekam. War das einfach nur Zufall oder Schicksal? War es womöglich die Strafe für den Hochmut der Böhm-Sippe gegenüber der mittellosen Marie? Wer weiß das schon …

Mit meinem Pseudonym wollte ich meiner Urgroßmutter jedenfalls posthum den Familiennamen geben, der ihr eigentlich schon immer zustand.

So wurde ich also Marie A. Böhm. Das A. habe ich vorsichtshalber noch eingefügt, weil es den Namen ohne dieses A. schon zu oft gibt.

Lektorin, Ghostwriterin, Schreibgruppenleiterin, Selfpublisherin …

Unter meinem realen Namen arbeite ich als Lektorin, als Schreibgruppenleiterin und vor allem als Ghostwriterin. Das heißt, dass ich den größten Teil meiner Einkünfte bisher durch das Schreiben von Autobiografien im Auftrag von Privatpersonen erzielt habe. Mittlerweile habe ich zahlreiche, überwiegend recht umfangreiche Autobiografien fertiggestellt. Die meisten sind Privateditionen.

Als Amazon Kindle Direct Publishing im April 2011 erstmals die Möglichkeit anbot, selbst verfasste Manuskripte auch ohne den Einsatz von Verlag oder Literaturagentur auf der Amazon-KDP-Plattform zu publizieren, interessierte sich für diese Möglichkeit anfangs keiner meiner Autobiografie-Kunden. Und ich gestehe, dass auch ich noch einige Zeit brauchte, bis ich mich mit dem Thema Selfpublishing angefreundet habe.

2013 war es dann so weit, als Anne Beeskow veröffentlichte ich bis zum Frühjahr 2014 drei E-Books mit Liebesgeschichten. Unter diesem Pseudonym hatte ich zu dieser Zeit bereits Hunderte Lovestorys und Kurzkrimis in Frauenzeitschriften sowie zahlreiche Heftromane veröffentlicht und an einer BRAVO-Jugendbuchreihe mitgewirkt.

Meine E-Books liefen anfangs recht gut, doch wurde mir bald klar, dass Liebesgeschichten einer unbekannten Autorin nicht gerade Bestsellerpotenzial haben. Außerdem war das Angebot bei Amazon in dieser Kategorie bald kaum mehr überschaubar.

Einen Liebesroman zu verfassen, hatte ich aber nicht geplant. Und dass es auch später nie dazu kam, war vor allem ein reines Zeitproblem. Heute habe ich keine Lust mehr dazu.

Gute Qualität meiner E-Books ist mir eine Herzenssache.

Also ließ ich das aktive Selfpublishing bald wieder sein, beschäftigte mich aber weiterhin intensiv mit dem Thema. Mir war es stets wichtig, dass die Leser nicht nur inhaltlich von mir das Beste bekommen, zu dem ich aktuell in der Lage bin, sondern dass ich ihnen z. B. auch ein ordentliches E-Book liefere mit lesefreundlicher Formatierung, dynamischem Inhaltsverzeichnis, mit einem Impressum, das den Anforderungen des Telemediengesetzes entspricht sowie nicht zuletzt mit einem kurzen aussagefähigen Klappentext. Auch halte ich es im Interesse der Leserschaft für meine Pflicht, mich in Sachen Handwerk des Schreibens ständig weiterzubilden und finde es selbstverständlich, in Grammatik und Rechtschreibung fit zu sein. Und weil es mir mit all dem wirklich ernst ist, wurde ich 2019 Mitglied im Selfpublisherverband.

Kenntnisse in Sachen Buchveröffentlichung eignete ich mir aber vor allem auch deshalb an, weil ich über Amazon KDP im Auftrag meiner Autobiografie-Kunden möglichst professionell gestaltete Bücher veröffentlichen wollte. Denn so ungefähr ab 2014 zeigte tatsächlich der eine oder andere meiner Auftraggeber Interesse, mit seinen Lebenserinnerungen auch an die Öffentlichkeit gehen zu wollen.

Die Titel dieser selbst publizierten Bücher darf ich hier nicht nennen, da ich wie gesagt als Ghostwriterin und nicht z. B. als Co-Autorin tätig war. Die Bücher tragen als Autorennamen somit nur den derjenigen Person, in deren Auftrag ich alles aufgeschrieben habe.

Mein erster Schicksalsbericht über sexuellen Missbrauch in der Kindheit …

2017 schrieb ich als Ghostwriterin ein Memoir für Frau S., deren Kindheit maßgeblich geprägt war vom sexuellen Missbrauch durch ihren Vater. Auf Wunsch von Frau S. habe ich dieses Memoir als E-Book bei Amazon KDP veröffentlicht. Im Impressum dieses E-Books ist meine Website-Adresse unter der Rubrik Lektorat zu finden. So hatte ich es mit Frau S. vereinbart.

Und dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Nachdem dieses E-Book kurze Zeit auf dem Buchmarkt war und sich erstaunlich gut verkaufte, meldeten sich bei mir Frauen mit ähnlichen Missbrauchserlebnissen aber auch solche mit hochdramatischen Erinnerungen, die völlig andere Lebensbereiche umfassten.

Nach vielen Treffen und unzähligen langen Gesprächen hatte ich mich entschieden, fürs Erste für zwei Frauen (Susanne K. und Anita H.) umfangreiche Memoirs zu verfassen. Doch auch mit anderen Frauen führte ich zahlreiche Interviews, die zum Teil heute noch nicht abgeschlossen sind.

Diese Angelegenheit zog sogar noch weitere Kreise. Eine meiner Interviewpartnerinnen war Mitglied einer Selbsthilfegruppe, die allerdings heute nicht mehr besteht. Doch damals dauerte es nicht lange, und ich unterhielt mich so nach und nach ebenfalls mit den anderen weiblichen Gruppenmitgliedern …

Was aus dieser unbeschreiblichen Fülle an Material später mal entstehen wird, muss von mir noch genauer konzipiert werden.

Meine Reihe „Frauenschicksale“ wird geboren.

Zumindest wusste ich recht bald, dass diese Geschichten von mir an die Öffentlichkeit gebracht werden müssen. Aber ich wollte nicht mehr länger immer nur im Hintergrund als Ghostwriterin arbeiten, sondern sah mich jetzt eher als Autorin, Herausgeberin, Unternehmerin. Und so habe ich 2019 im Mai meine „Reihe Frauenschicksale“ ins Leben gerufen, die ich mit „Klosterkind. Meine Mutter brachte mich ins Waisenhaus“ startete.

Es handelt sich bei diesem Buch um meine eigene Kindheitsgeschichte. Diesen Teil meines Lebens wollte ich schon länger autobiografisch bearbeiten, aber irgendetwas hatte mich lange davon abgehalten. Heute glaube ich, dass es meine intensive Beschäftigung mit den schrecklichen Schicksalsberichten der anderen Frauen war, die mich dazu veranlasste, mich endlich ebenfalls meinen traumatischen Kindheitserlebnissen zu stellen. Es waren wohl die stundenlangen, fast immer tränenreichen Interviews, die zahlreichen schriftlichen Notizen und mündlichen Aufzeichnungen der Opfer, die ich immer wieder anhörte, durchlas, auswertete, ordnete, nachrecherchierte …

Und eines Tages war ich dann so weit: „Deine Kindheit war auch kein Ponyhof, schreib das jetzt endlich auf!“, sagte ich zu mir.

Von dieser Aufforderung an mich selbst bis zur Veröffentlichung des fertigen Memoirs im Mai 2019 war es allerdings noch ein langer Weg. Und wie der aussah, welche sprichwörtlichen Steine ich erst wegräumen musste, und was sich sonst noch alles beim Schreiben vom „Klosterkind“, bei den Recherchen und während der Erinnerungsarbeit ereignete, darüber werde ich in meinem nächsten Blogbeitrag berichten.